Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
suchte etwas ganz Bestimmtes und dafür fuhr sie nach Köln. Von irgendjemand aus der Nachbarschaft hatte sie den Tipp mit Köln bekommen.“
Wolf sah Frau Hanßen mitleidig an. Sie war in Tränen aufgelöst. Er reichte ihr ein Päckchen Papiertaschentücher.
„Auf der Rückfahrt ist es dann passiert, auf dem Bahnhof, sie ist vor den Zug gefallen.“
Anke und Wolf wechselten einen ungläubigen Blick.
„Gefallen? Sie ist vor den Zug gefallen?“, fragte Wolf zur Sicherheit nach. Frau Hanßen nickte aufgeregt. Wolf versuchte nachzuvollziehen, was sie da gerade gesagt hatte und dachte sofort, ob Eva von dem Unfall wusste. „Sie ist ... Ich kann’ s nicht glauben,“ murmelte er.
Anke hob abwehrend ihre Hand.
„Moment“, begann sie erregt, „jetzt erinnere ich mich, da stand seinerzeit was in den Zeitungen. Von einer Frau, die im Kölner Hauptbahnhof von einem Zug überfahren wurde.“
„ Ja, ja“, bestätigte Frau Hanßen, „das war Elke. Stellen Sie sich vor, einen Tag vor Hl. Abend.“ Sie riss die Packung auf, zog gleich mehrere Taschentücher hervor und tupfte ihre Tränen ab. „Den 23. Dezember 1998 werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen.“
Alle drei schwiegen betroffen.
„Sie war doch hochschwanger“, fuhr Frau Hanßen nach einer Weile unter Tränen fort, „ihr dicker Bauch, das Baby sollte bald kommen. Auf dem Bahnsteig soll es ein Handgemenge gegeben haben. Sie stand ziemlich weit vorne und, so vermutet man, durch ihren dicken Bauch ist sie, angestoßen von irgend jemanden, plötzlich vornüber auf die Gleise direkt vor die Lock gefallen. Die hat sie dann noch meterweit mitgerissen.“
„ Das ist ja entsetzlich“, murmelte Anke.
Wolf sah betroffen auf seine Kaffeetasse. Seine Gedanken kreisten. Ein schweres Schicksal für Dr. Seitz, und sofort drängte sich wieder die Frage in ihm auf, wieso Eva sich diesen so schwer vom Schicksal getroffenen Mann herausgesucht hatte? Regelrecht herausgesucht, so jedenfalls hatte er es aus ihren Zeilen verstanden. Unvermittelt hatte er die von ihr beschriebene Szene vom vorgetäuschten Sturz neben dem Friedhof vor Augen.
„Ein wirklicher grauenvoller Unfall“, sagte Wolf bewegt.
„ Das soll gar nicht sicher sein.“
Wolf und Anke sahen Frau Hanßen erstaunt an.
„Was?“
„ Dass es ein Unfall war.“
„ Die Familie Bischoff hat nämlich Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Sie glaubt wohl heute noch nicht an einen Unfall.“
Wieder spürte Wolf Ankes lauernden Blick.
„Sagten Sie eben Bischoff?“, fragte er deshalb nochmals eindringlich nach.
„ Ja, Elke Seitz war eine geborene Bischoff. Wieso?“ Frau Hansen sah unsicher von Anke zu Wolf. „Ist etwas nicht in Ordnung damit?“
Wolf saß auf einmal wie erstarrt.
„Bischoff“, murmelte er. „Kommt mir bekannt vor, der Name. Wo habe ich den schon mal gehört?“
Anke nickte ihm zu, als wolle sie sagen, na haste es endlich gerafft? Frau Hanßen war jetzt ganz aufgebracht.
„Habe ich was Falsches gesagt?“
„ Nein, nein, Frau Hanßen, bitte, beruhigen Sie sich.“
“ Nur, wir haben schon von Dr. Bischoff gehört“, erklärte Anke?
Frau Hanßen nickte und erzählte freimütig. „Er hat eine eigene neurologische Praxis und ist Präsident vom Lionsclub, steht deswegen öfter mal in der Zeitung. Dr. Bischoff ist ein sehr dominanter Mann. Elke hat sich oft über ihren Vater aufgeregt. „Wenn nicht alles nach seiner Pfeife tanzt, wird er sehr ungehalten“, hatte sie oft geschimpft. Er ist ein bisschen cholerisch, so heißt das doch, oder?“
Anke und Wolf nickten zeitgleich.
„ Aber wieso glaubt die Familie Bischoff nicht an einen Unfall?“, wollte Wolf wissen.
„ Das weiß ich nicht. Dr. Bischoff hat auch nicht sofort, also, direkt nach dem es passiert war, Anzeige erstattet. Erst, nachdem der Doktor die zweite Frau geheiratet hat.“
Wolf starrte das angebissene Brötchen vor sich auf dem Teller an. Anke stellte geschwind die nächste Frage.
„Hat Bischoff denn einen Verdacht geäußert?“
Frau Hanßen schüttelte den Kopf. „Das kam alles sehr plötzlich. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Doktor so schnell wieder heiraten würde. Er hat ja noch nicht einmal das Trauerjahr eingehalten. Auch seine Eltern waren davon nicht begeistert. Sie müssen wissen, die Eheleute Seitz und Bischoff sind seit ihrer Jugend befreundet und Elke und Ronald kannten sich schon als Kinder.“
„Hat die Familie Bischoff denn geglaubt, Elke sei absichtlich vor den Zug
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