Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Vorsicht!“, warnte Anke und resümierte weiter. „Sie hat also alles erledigt, worauf ihr Selbst und, wenn deine Vermutung richtig ist, die in ihr lebenden Personen gedrängt haben. Der Kreis ist geschlossen.“
„ Noch nicht“, widersprach Wolf, „du hast Bischoff vergessen. Der lebt noch.“
„ Richtig, Bischoff ist so etwas wie ein dunkler Fleck auf einer weißen Weste.“
„ Dunkel auch noch für Eva. Ihr Erzeuger und der Verursacher ihres ganzen Lebensdramas. Bisher hat sie ihn verdrängt. Und das zu ihrem eigenen Schutz, weil sie den mit ihm verbundenen Schmerz nicht ertragen kann.“
Anke nickte bestätigend.
„Und jetzt ist sie vierunddreißig Jahre. Sollte sie durch dein Gutachten für schuldunfähig erklärt und eingewiesen werden; eine gute Therapie bekommen; hat sie alle Chancen, vielleicht mit fünfundvierzig ein normales gesundes Leben zu führen, einen netten Mann kennenzulernen. Ein Kind zu bekommen. Vielleicht noch zu studieren, was weiß ich. Aber, wenn du das Gutachten jetzt vermasselst, landet sie in einer Zelle, wo sie bestimmt nicht hingehört.“
„ Wow, du bist fast so gut wie ich.
„ Klar, ich habe ja auch einen guten Lehrer, der mir endlose Vorträge über die Psyche des Menschen hält. Außerdem bin ich ein Multitalent“, erklärte Anke trocken.
„ Oh mein Gott“, stöhnte Wolf lachend. „Ich sagte fast so gut wie ich. Eben nur fast, denn, dass Eva eine Familie gründen, vielleicht sogar noch ein Kind bekommt, halte ich für nur schwer oder kaum möglich. Auch nicht, selbst wenn sie in Jahren einer guten Therapie vieles aufarbeiten kann, dass sie wieder in der Lage ist, eine normale Beziehung zu einem Mann aufzubauen. Das ist Wunschdenken von dir. Evas Erlebnisse in der Kindheit sind so gravierend, und dadurch kann vieles Zerstörte auch nicht annähernd überwunden werden.“
Anke ging in die Knie und schlang die Arme um ihn, dass sie beide nach hinten fielen. Wolf streckte die Beine und umschlang damit ihre. Sie lagen aufeinander, an ihnen vorbei zischten die Autos, sie küssten sich wie Teenager und blieben schließlich ruhig liegen.
„Und schon hat Eva Seitz uns wieder eingeholt?“, meinte Wolf. Er küsste sie auf die Nasenspitze. Anke legte ihre Lippen an sein Ohr.
„ Schenk ihr trotz der düsteren Aussichten eine Zukunft.“
***
Entschlossen betrat Anke pünktlich zur Öffnungszeit um 9.00 Uhr die neurologische Praxis Dr. med. Eckard Bischoff. Sie hoffte, vor dem Doktor da zu sein.
„ Guten Morgen“, sang sie fröhlich in die ernsten Mienen der Helferinnen, die beide überrascht aufsahen und ihren Gruß verhalten erwiderten. Eine der Damen war schon in den Jahren. Die könnte für mich wichtig sein, registrierte Anke für sich.
„ Ich hätte gerne einen Termin und sagen Sie, ist der Doktor schon da?“
Die ältere Helferin wandte sich ihr zu.
„Einen Termin kann ich Ihnen für nächste Woche geben und was die andere Frage betrifft, der Doktor kommt immer erst gegen zehn Uhr.“
Sie ließ sich für nächste Woche eintragen, bedankte sich und wandte sich zur Tür. Dort hielt sie inne und fragte mit hocherstaunter Stimme neugierig wie ein Kind.
„Der Doktor fährt wohl ewig den gleichen Wagen?“
Die Helferinnen sahen sie einen Augenblick irritiert an. Anke glaubte schon, nicht überzeugend genug gewesen zu sein. „Ich meine den dunklen Mercedes“, fügte sie noch rasch hinzu. Mit einem Mal, als hätte sie erst jetzt begriffen, lachte die ältere Mitarbeiterin und ereiferte sich dann regelrecht.
„Ja, das stimmt. Und es ist ganz raffiniert vom Doktor. Er kauft sich alle zwei Jahre einen neuen Wagen des gleichen Modells, na ja, so mit geringfügigen Änderungen.“
„ Das ist wirklich raffiniert, und die Nummer ist dann auch stets die gleiche, was?“
„ Hmm, stimmt.“
Sie lachten.
„Es ist ein Trick, um dem Neid der Mitmenschen vorzubeugen“, das sagt der Doktor jedenfalls.“
„ Und das macht er schon ewig so?“
„ Seitdem ich hier bin, seit mehr als zehn Jahren, bestimmt.“
Mit einem „bis später dann“, verließ Anke die Praxis. Immerhin wusste sie jetzt, was Dr. Bischoff für einen Wagen fährt. Es blieb ihr noch eine dreiviertel Stunde Zeit. Die ersten Oktobertage waren freundlich und mild. Sie lehnte sich an ihren Wagen und hielt die Straße im Auge. Dr. Bischoffs Parkplatz war vor dem Haus durch ein weißes Schild gekennzeichnet. Schon nach einer viertel Stunde wurde er von einem dunkelblauen Mercedes 280
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