Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Hand und nickte schwer.
„Ach, verdammt!“, murrte sie und trat mit ihrem Fuß gegen die Wand.
„ Stellen Sie sich vor, die Polizei hätte im Fall meiner Mutter auch nach Spuren gesucht?“
„ Das haben sie sicher auch.“
„ Aber da sie von einem Unfall ausgegangen sind, wohl nicht gründlich genug, sonst wüssten wir heute mehr. Zum Beispiel hätten sie den Gegenstand finden können, mit dem ich niedergeschlagen wurde.“
„ Wenn der Schatten klug war, hat er ihn mitgenommen und verschwinden lassen.“
Eva nahm wieder ihren Stuhl ein.
„Oder sie hätten verräterische Spuren von mir gefunden.“
Ach, es ist doch sinnlos mit diesem Wenn und Aber und möglich und vielleicht.“
Kaum, dass sie diesen Satz gesprochen hatte, erhob sie sich erneut.
„ Gut, Doktor, die Zeit ist um, lassen Sie uns das Verabschieden möglichst unsentimental gestalten. Ehrlich gesagt, ich mag Sie, obwohl Sie Psychiater sind.“
„ Psychologe.“
Wolf stand ebenfalls auf.
„Vergessen Sie ihr Gerätchen nicht“, mahnte Eva ihn mit einem Blick auf den Tisch. Ihre lockeren Worten stachen in seiner Brust. Und auch die Gewissheit, wie sie versuchte, den Schmerz des Abschieds zu überspielen. Er hätte sie gerne als Patientin behalten und ihr geholfen. Aber das oblag nun anderen Händen, und er hoffte für Eva, dass sie in gute kommen würde. Vielleicht konnte er ja sogar etwas tun, wenn er wusste, wo sie nach dem Urteil eingewiesen würde. Er würde den Fall aufmerksam verfolgen.
Lange hielt er ihre Hand, sah ihre Augen schimmern und befürchtete, dass sie gleich zu weinen beginnen würde. Das wollte er auf keinen Fall.
„Wir sehen uns wieder Eva, ganz bestimmt. Wenn ich weiß, wo Sie hinkommen, werde ich Sie besuchen, das verspreche ich Ihnen.“
„ Darf ich Ihnen schreiben?“
Wolf nickte, ließ ihre Hand los und umfasste sie zur Unterstreichung erneut mit seinen beiden Händen. „Aber sicher, Eva.“
Sie sah ihm offen ins Gesicht, während er ihre Hand fest umschlossen hielt.
„ Sie sollen wissen“, sagte sie, „nichts ist mehr wie vorher bei mir. Sie haben etwas in mir bewirkt. Auch wenn Sie sich nur aus professionellen Gründen mit mir einlassen mussten. Sie haben mir gezeigt, dass ich doch Vertrauen gewinnen kann, auch ...“, sie stockte, schaute drein, als überlege sie, ob sie weitersprechen soll. Dann fuhr sie mit der Zunge über die Lippen und hob den Kopf ein wenig an.
„ Was ist mit auch, Eva?“
„ Auch, wenn es für mich zu spät ist.“
Wolf wollte etwas darauf erwidern, doch Eva war schneller. „Und jetzt hauen Sie schon ab, Sie Therapeutenfuzzi, bevor ich losheule.“ Sie drängte ihn zur Tür, dort hielt sie ihn nochmals zurück. „Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Namen Eckard?“ Sie versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen, aber Wolf vernahm deutlich die sanften Schwingungen.
„Eckard?“, wiederholte er, „Einen Moment, Eckard kommt aus dem Altdeutschen, bedeutet, ’der mit dem harten Schwert’.
Eva nickte versonnen. „Passt.“
„Wer heißt denn Eckard?“, fragte Wolf.
„ Er, Bischoff, mein Vater.“
Plötzlich drängte sie ihn eilig aus dem Zimmer. Vor der Tür verharrte Wolf einen Moment und lauschte ihrem Schluchzen.
***
Evas Schluchzen war in hemmungsloses Weinen übergegangen. Die Tränen rollten aus Wut, aus Schmerz, aus Verzweiflung. Ihre Gedanken sprangen zwischen Wolf und Bischoff hin und her. Bei Wolf nagte Kummer an ihrer Seele, die weitere Tränenschübe verursachten. Er war der erste Mensch, wenn auch ein Mann, zu dem sie Vertrauen gefasst hatte. Der jemals Zugang zu ihr gefunden hatte. Der die Geheimnisse ihrer tiefsten Seele kannte und sie dennoch nicht verurteilte. Auf einmal tat sich ein Krater vor ihr auf. Ab jetzt, ab genau diesem Moment gab es nichts mehr, worauf sie sich freuen konnte. Anfänglich war es nicht so gewesen, doch schon bald hatte sie jeder Stunde mit Dr. Wolf Heinzgen entgegen gefiebert. Er war etwas Besonderes. Von nun an war sie zum Abwarten verurteilt. Ihre Zukunft hing von dem Urteil eines Richters ab. Nichts lag mehr vor ihr, das ihren Tag erhellte. Todessehnsucht breitete sich in ihr aus. Ein neuer Schwall Tränen entlud sich. Sie krallte ihr Kopfkissen und steckte ihr Gesicht hinein, griff die seitlichen Zipfel und drückte sie gegen ihre Ohren, als wolle sie ihr erneutes Aufschluchzen nicht hören. In das Grau ihrer Gedanken schob sich Bischoff. Sofort war der Schmerz um Wolf verflogen und Wut
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