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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gewöhnliche Bürger sein.
    Nach kurzem Zögern, während sie besorgt zu ihrer Nemesis bergauf sah, folgte Paige ihm und den Mädchen durch das Loch im Zaun.
    Der Schnellader rutscht ihm aus den Fingern und fällt in den Schnee, als er ihn aus dem Beutel am Gürtel nimmt. Es ist der letzte der beiden, die er dem toten Mann in dem Kleinbus abgenommen hat.
    Er bückt sich, hebt ihn vom schneebedeckten Boden auf und wischt ihn an seinem preiselbeerfarbenen Pullover unter der Collegejacke ab. Er drückt ihn an den aufgeklappten Revolver, läßt ihn einrasten, dreht ihn, läßt ihn fallen und klappt den Zylinder zu.
    Mit den letzten Patronen muß er vorsichtig umgehen. Die Replikanten werden nicht leicht zu töten sein.
    Er weiß jetzt, daß die Frau ein Replikant ist, genau wie der falsche Vater. Fremdes Fleisch. Nichtmenschlich. Sie kann nicht seine Paige sein, denn sie ist zu aggressiv. Seine Paige wäre unterwürfig, bereit, sich unterzuordnen, wie die Frauen in der Filmsammlung des Senators. Seine Paige ist mit Sicherheit tot. Das muß er akzeptieren, wenn es auch schwerfällt. Dieses Ding gibt sich nur als Paige aus, und das nicht einmal gut. Schlimmer noch, wenn Paige für immer dahin ist, sind es auch seine beiden süßen Töchter. Die Mädchen, so niedlich und überzeugend menschlich, sind ebenfalls Replikanten – dämonisch, außerirdisch und gefährlich.
    Sein früheres Leben ist unwiederbringlich verloren.
    Seine Familie existiert nicht mehr.
    Ein schwarzer Abgrund der Verzweiflung tut sich klaffend unter ihm auf, aber er darf nicht hineinfallen. Er muß Kraft finden, um weiterzukämpfen, bis er im Namen der gesamten Menschheit den Sieg davonträgt – oder vernichtet wird. Er muß so mutig sein wie Kurt Russell und Donald Sutherland es waren, als sie sich in ähnlich aussichtslosen Situationen befanden, denn er ist ein Held, und Helden müssen bestehen.
    Weiter unten verschwinden die vier Kreaturen durch ein Loch in dem Maschendrahtzaun. Er will sie jetzt nur noch tot sehen, ihre Gehirne zerquetschen, sie verstümmeln und köpfen und auslöschen, sie verbrennen, jede Vorsichtsmaßnahme gegen ihre Wiederauferstehung ergreifen, denn sie sind nicht nur die Mörder seiner Familie, sondern eine echte Gefahr für die Welt.
    Der Gedanke ist ihm gekommen, daß ihm diese schrecklichen Erlebnisse, sollte er sie überleben, Stoff für einen Roman liefern. Ganz bestimmt wird er über den ersten Satz hinaus kommen, was er gestern nicht bewerkstelligen konnte. Seine Frau und seine Kinder hat er zwar für immer und ewig verloren, aber möglicherweise kann er seine Karriere aus den Trümmern seines Lebens bergen.
    Schlitternd und rutschend läuft er zu dem Loch im Zaun.
    Die Scheibenwischer waren mit Schnee verkrustet, der zu Eis gefror. Sie glitten ruckartig und lautstark über das Glas.
    Oslett studierte die Karte aus dem Computer, dann deutete er auf eine Abzweigung vor ihnen. »Da rechts.«
    Clocker setzte den Blinker.
    Die leerstehende Kirche ragte in dem Schneetreiben auf, so wie das Geisterschiff Mary Celeste mit zerfetzten gerefften Segeln und ohne Besatzung an Deck aus einem seltsamen Nebel auftauchte.
    Zuerst dachte Marty im Sturm und dem düsteren grauen Licht des Nachmittags, das Gebäude befände sich in einem guten Zustand, aber der Eindruck wurde rasch zunichte gemacht. Als sie näher kamen, konnte er jede Menge fehlende Ziegel auf dem Dach erkennen. Ganze Abschnitte der Regenrinnen aus Kupfer fehlten, andere baumelten lose und schwankten und quietschten im Wind. Fast alle Fenster waren eingeschlagen worden, und Vandalen hatten Obszönitäten auf die einst hübschen Backsteinwände gesprüht.
    Baufällige Gebäudekomplexe – Büros, Werkstätten, eine Krankenstation, Schlafsäle, ein Speisesaal – standen direkt hinter der Kirche und auf beiden Seiten davon. Die Prophetische Kirche der Verklärung war eine Sekte gewesen, die von ihren Mitgliedern verlangt hatte, daß sie ihr alle weltlichen Besitztümer bei der Aufnahme überschrieben und in einer streng überwachten Gemeinschaft lebten.
    Sie liefen so schnell die Mädchen konnten durch den zentimetertiefen Schnee auf den Eingang der Kirche zu, und nicht zu einem der anderen Gebäude, weil die Kirche am nächsten lag. Sie mußten so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden. Der Andere konnte sie zwar aufgrund seiner Verbindung mit Marty aufspüren, wohin sie auch gingen, aber wenigstens konnte er nicht auf sie schießen, wenn er sie nicht sehen

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