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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schwachen Fleisches konnte es geschehen, daß er die Mädchen nicht zu jungen Frauen heranwachsen sehen oder die Freude haben würde, an der Seite seiner Frau alt zu werden. Zwar glaubte er an ein Leben nach dem Tod, in dem er schließlich einmal mit denen vereint sein würde, die er liebte, aber sein Leben schien ihm so kostbar, daß nicht ein mal die Aussicht auf eine sorgenfreie Ewigkeit den Verlust einiger Jahre diesseits des Schleiers wettmachen konnte.
    Aus einem halben Block Entfernung beobachtet der Killer, wie das Auto langsam rückwärts aus der Garage stößt.
    Als der Ford in die andere Richtung abbiegt und allmählich im essig-goldfarbenen Herbstsonnenschein verschwindet, wird ihm klar, daß der Magnet, der ihn von Kansas City hierher gezogen hat, sich in diesem Auto befindet. Möglicherweise ist es der nur vage sichtbare Mann hinter dem Lenkrad – aber es könnte auch gar kein Mensch sein, sondern ein Talisman, der anderswo in dem Fahrzeug versteckt ist, ein magischer Gegenstand, der sich seinem Verständnis entzieht, aber aus noch unbekannten Gründen mit seinem Schicksal verknüpft ist.
    Der Killer läßt um ein Haar den Honda an, um dem Magneten zu folgen, überlegt sich aber, daß der Fremde in dem Ford früher oder später zurückkommen wird.
    Er streift das Schulterhalfter über, schiebt die Pistole hinein und zwängt sich in die Lederjacke.
    Aus dem Handschuhfach holt er die Ledertasche mit Reißverschluß, in der sich sein Einbrecherwerkzeug befindet. Dazu gehören sieben Dietriche mit Sprungfedern, ein L-förmiges Spannwerkzeug und eine winzige Spraydose mit Graphitgleitmittel.
    Er steigt aus dem Auto aus und geht dreist den Bürgersteig entlang auf das Haus zu.
    Am Ende der Einfahrt befindet sich ein weißer Briefkasten, auf dem ein Name geschrieben steht – STILLWATER. Diese zehn schwarzen Buchstaben scheinen eine symbolische Macht zu besitzen. Stilles Wasser. Ruhe. Frieden. Er hat ein stilles Gewässer gefunden. Er hat viele Turbulenzen, Stromschnellen und Strudel hinter sich gebracht, und jetzt hat er einen Platz gefunden, wo er ausruhen kann, wo seine Seele Ruhe finden wird.
    Zwischen der Garage und dem Zaun um das Grundstück öffnet er die Klappe eines schmiedeeisernen Tors. Er folgt einem Durchgang zwischen der Garage links und einer mannsgroßen Eugeniahecke rechts bis zum rückwärtigen Teil des Hauses.
    Der flache Garten ist üppig bepflanzt. Die Eugeniahecke setzt sich dort fort, dazu ausgewachsene Birkenfeigen, die ihn vor den neugierigen Blicken der Nachbarn abschirmen.
    Die Pergola wird von einer offenen Konstruktion aus Rotholzbalken geschützt, zwischen denen sich dicht die dornigen Triebe einer Bougainvillea ranken. Selbst an diesem letzten Tag im November zieren blutrote Blüten das Dach der Pergola. Abgefallene Blütenblätter bedecken den Betonboden, als hätte hier ein erbittert ausgefochtener Kampf stattgefunden. Eine Küchentür und eine breite Glasschiebetür bieten zwei potentielle Zugangsmöglichkeiten in das Haus. Beide sind abgeschlossen.
    Die Schiebetür, hinter der er ein menschenleeres Wohnzimmer mit gemütlichen Möbeln und einem Großbildfernseher ausmachen kann, wird außerdem von einem Holzbalken gesichert, der in die innere Führungsschiene geklemmt wurde. Sollte es ihm gelingen, das Schloß aufzubrechen, müßte er trotzdem die Scheibe einschlagen und ins Innere greifen, um die Stange zu entfernen.
    Er klopft heftig an die andere Tür, obwohl er durch deren Fenster erkennen kann, daß sich niemand in der Küche aufhält. Als er keine Antwort bekommt, klopft er noch einmal mit demselben Ergebnis.
    Aus dem kompakten Einbrecherset holt er die Graphitdose heraus. Er duckt sich vor der Tür und sprüht Gleitmittel in das Schloß. Schmutz, Rost und andere Verunreinigungen können die Zähne verkanten.
    Er tauscht die Dose gegen die Spannfeder und ein Werkzeug, das »Rechen« genannt wird. Den L-förmigen Schlüssel führt er zuerst ein, um den erforderlichen Druck auf das Schloß auszuüben. Dann schiebt er den Rechen so weit es geht in den Schlüsselkanal ein, drückt ihn nach oben und spürt, wie er gegen die Zähne drückt. Er schaut blinzelnd in das Schloß und zieht den Rechen hastig heraus, aber dieser hebt nicht alle Zähne bis zum Punkt des Einrastens hoch, daher versucht er es noch einmal, und noch einmal, und schließlich, nach dem sechsten Versuch, scheint der Kanal frei zu sein.
    Er dreht den Knauf.
    Die Tür öffnet sich.
    Er rechnet halb damit,

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