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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Frisbees aus Licht durch den grauen Regen und über den Asphalt. Die Sirene verstummte, als der Wagen sechs Meter von Marty entfernt mitten auf der Straße mit einem dramatischen Schwung, der selbst unter den gegebenen Umständen übertrieben wirkte, schlitternd zum Stillstand kam.
    Die Sirene eines zweiten Streifenwagens wimmerte in der Ferne, als die Fahrertür des ersten aufgerissen wurde. Zwei uniformierte Beamte sprangen aus dem Auto, duckten sich, blieben hinter den Türen, und riefen: »Fallen lassen! Sofort! Laß die Waffe fallen oder du stirbst, Arschloch! Sofort! «
    Marty stellte fest, daß er immer noch die 9-mm-Pistole in der Hand hielt. Die Polizisten wußten nur das, was Paige ihnen sagen konnte, als sie 911 angerufen hatte, daß ein Mann erschossen worden war, daher vermuteten sie natürlich, daß er der Übeltäter war. Wenn er nicht tat, was sie verlangten, und zwar schnellstens, würden sie ihn erschießen, und niemand könnte ihnen einen Vorwurf machen.
    Er ließ die Waffe aus der Hand fallen.
    Sie fiel scheppernd auf den Asphalt.
    Sie befahlen ihm, sie von sich weg zu kicken. Er gehorchte.
    Als sie sich hinter den offenen Autotüren erhoben, rief einer der Polizisten: »Auf den Boden, Gesicht nach unten, Hände auf den Rücken!«
    Er besaß Verstand genug, sie nicht überzeugen zu wollen, daß er das Opfer und nicht der Täter war. Sie wollten zuerst Gehorsam und später Erklärungen, und wären die Rollen umgekehrt verteilt gewesen, hätte er dasselbe von ihnen verlangt.
    Er ließ sich auf Hände und Knie sinken, dann streckte er sich der Länge nach auf der Straße aus. Selbst durch das Hemd war der nasse Asphalt so kalt, daß ihm die Luft wegblieb.
    Vic und Kathy Delorios Haus stand direkt auf der anderen Straßenseite, gegenüber der Stelle, wo er lag, und Marty hoffte, daß Charlotte und Emily sich nicht an den Fenstern nach vorne aufhalten durften. Sie sollten ihren Vater nicht unter den Pistolen von Polizisten flach auf dem Boden liegen sehen. Sie hatten auch so schon Angst genug. Er erinnerte sich an ihre aufgerissenen Augen, als er mit der Waffe in der Hand in die Küche gestürmt war, und er wollte sie nicht noch mehr ängstigen.
    Die Kälte drang ihm bis in die Knochen.
    Die zweite Sirene wurde plötzlich von einem Augenblick zum nächsten viel lauter. Er vermutete, daß der andere Wagen im Süden um eine Ecke gebogen war und sich vom Ende des Blocks näherte. Das durchdringende Heulen war so kalt wie ein spitzer Eiszapfen im Ohr.
    Er drückte eine Seite des Gesichts auf den Asphalt und blinzelte Regen aus den Augen, während er den beiden Polizisten entgegensah, die auf ihn zu kamen. Sie hielten die Waffen schußbereit. Als sie in eine seichte Pfütze traten, wirkten die Spritzer aus Martys Perspektive riesig.
    Als sie bei ihm waren, sagte er: »Schon gut. Ich wohne hier. Dies ist mein Haus.« Seine ohnehin krächzende Stimme wurde durch das Zittern, das ihn schüttelte, noch mehr verzerrt. Er machte sich Sorgen, er könnte sich betrunken oder schwachsinnig anhören. »Das ist mein Haus.«
    »Einfach unten bleiben«, sagte einer schneidend. »Lassen Sie die Hände hinter dem Rücken und bleiben Sie unten.«
    Der andere fragte: »Können Sie sich ausweisen?«
    Er schlotterte so heftig, daß seine Zähne klapperten, als er sagte: »Ja, sicher, in meiner Brieftasche.«
    Sie gingen kein Risiko ein und legten ihm Handschellen an, bevor sie die Brieftasche aus seiner Innentasche fischten. Die Stahlringe waren noch warm von der geheizten Luft in dem Streifenwagen.
    Er kam sich genau wie eine Figur in einem seiner Romane vor. Es war ganz eindeutig kein gutes Gefühl.
    Die zweite Sirene verstummte. Autotüren wurden zugeschlagen. Er hörte das knisternde Rauschen und die blechernen Stimmen des Polizeifunks.
    »Haben Sie einen Ausweis mit Foto da drinnen?« fragte der Polizist, der seine Brieftasche genommen hatte.
    Marty verdrehte das linke Auge und versuchte, etwas von dem Mann oberhalb des Knies zu erkennen. »Ja, sicher, in einem der Plastikfächer steckt ein Führerschein.«
    In seinen Romanen hatten unschuldige Figuren, wenn sie eines Verbrechens verdächtigt wurden, das sie nicht begangen hatten, häufig Sorgen und Angst. Aber Marty hatte nie darüber geschrieben, wie demütigend so ein Erlebnis sein konnte. Wie er so vor den Polizisten auf dem Bauch auf dem nassen Asphalt lag, verspürte er Todesangst wie noch nie in seinem Leben, obwohl er nichts Unrechtes getan hatte. Die Situation

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