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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ewigen Heulen der Sirenen, plärrenden Hupen, vom Grölen der Betrunkenen, dem Klappern der Kanalisationsdeckel unter Autoreifen und anderen, exotischeren Geräuschen getröstet, die selbst in den tiefsten Nachtstunden von den Straßen her aufhallten, wenn auch gedämpfter als das grandiose Toben und Rattern morgens, mittags und abends. Die unaufhörliche Kakophonie und unendlichen Ablenkungen der Stadt bildeten die Seide seines Kokons, beschützten ihn und gewährleisteten, daß er nie in ruhige Augenblicke geraten konnte, die Nachdenklichkeit und Introspektion förderten.
    Dunkelheit und Stille boten keinerlei Ablenkung und waren daher Feinde der Zufriedenheit. Und das ländliche Oklahoma besaß verdammt noch mal zuviel von beidem.
    Drew Oslett, der leicht zusammengekauert auf dem Beifahrersitz saß, richtete die Aufmerksamkeit von der nervtötenden Landschaft auf die allerneueste elektronische Karte, die er auf dem Schoß liegen hatte.
    Das Gerät war so groß wie ein Aktenkoffer, aber quadratisch statt rechteckig, und wurde über den Stecker des Zigarettenanzünders von der Autobatterie gespeist. Der flache Deckel erinnerte an die Vorderseite eines Fernsehgeräts: hauptsächlich Bildschirm, mit einem schmalen Rahmen aus Edelstahl und einer Reihe Bedienungsknöpfe. Vor einem schwach leuchtenden limonengrünen Hintergrund wurden Interstate Highways smaragdgrün, Bundesstraßen in gelb und Landstraßen blau dargestellt; unterbrochene schwarze Linien repräsentierten nichtasphaltierte Feld- und Schotterwege. Bevölkerungszentren – herzlich wenig in diesem Teil der Welt – waren rosa.
    Ihr Fahrzeug wurde als roter Punkt ziemlich in der Mitte des Bildschirms dargestellt. Der Punkt bewegte sich konstant auf der smaragdgrünen Linie der Interstate 40.
    »Noch etwa vier Meilen«, sagte Oslett.
    Karl Clocker, der Fahrer, antwortete nicht. Clocker verhielt sich selbst unter günstigsten Umständen wortkarg. Ein durchschnittlicher Stein war redseliger.
    Die Skala der quadratischen elektronischen Karte war auf mittlere Reichweite eingestellt und zeigte hundert Quadratmeilen des Geländes mit einer Seitenlänge von zehn Meilen. Oslett drückte auf einen der Knöpfe, worauf die Karte erlosch, aber fast augenblicklich von einem Quadrat mit fünfundzwanzig Quadratmeilen ersetzt wurde, fünf Meilen Seitenlänge, bei dem es sich um die Ausschnittvergrößerung eines Quadranten des ersten Bildes handelte.
    Der rote Punkt, der ihr Auto symbolisierte, war jetzt vier mal größer als vorher. Und er befand sich nicht mehr in der Mitte des Bildes, sondern am rechten Rand.
    Beim linken Ende des Display, keine vier Meilen entfernt, verweilte ein blinkendes weißes X an einer Stelle, nur den Bruchteil eines Zentimeters rechts von der Interstate 40. X war die Beute.
    Oslett arbeitete gerne mit der Karte, weil der Bildschirm so bunt war wie die Oberfläche eines gekonnt entworfenen Videospiels. Er liebte Videospiele über alles. Obwohl er zweiunddreißig war, gehörten Spielhallen, wo ganze Scharen toller Maschinen das Auge mit bunten Stroboskoplichtern betörten und den Ohren mit unablässigem Piepsen, Summen, Heulen, Pfeifen, Klirren und Scheppern, Musikbruchstücken und an- und abschwellenden elektronischen Tönen schmeichelten, zu seinen bevorzugten Aufenthaltsorten.
    Unglücklicherweise bot die Karte nicht dieselbe Dynamik wie ein Spiel. Und sie verfügte über gar keine Geräuscheffekte.
    Trotzdem fand er sie aufregend, weil nicht jeder das Gerät – das SATU genannt wurde, für Satellite Assisted Tracking Unit (Satelliten-unterstütztes Suchgerät) – in die Finger bekommen konnte. Es wurde nicht frei verkauft, was teilweise an den exorbitanten Herstellungskosten lag, die so wenig potentielle Käufer erwarten ließen, daß eine großangelegte Vermarktung sinnlos erschien. Darüber hinaus wurde die Technologie teilweise durch strenge Vorschriften der nationalen Sicherheit geschützt. Und da es sich primär um einen Mechanismus für heimliche Überwachung und Verfolgung handelte, wurde der Großteil der vergleichsweise geringen Zahl in Umlauf befindlicher Geräte von Bundesbehörden auf dem Gebiet der Strafverfolgung und Informationsbeschaffung benützt, oder von vergleichbaren Organisationen in alliierten Ländern der Vereinigten Staaten.
    »Drei Meilen«, informierte er Clocker.
    Der Koloß von einem Fahrer grunzte nicht einmal als Antwort.
    Kabel verliefen von dem SATU zu einer Saugglocke mit einem Durchmesser von zehn

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