Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
sah-hörte-roch-berührte.
    Aus dem dichten Gestrüpp der Bougainvillea über ihm fielen Dutzende Tropfen und Spritzer in Pfützen, die in dem Dämmerlicht so schwarz wie Öl wirkten. Auf dieser flüssigen Schwärze trieben scharlachrote Blüten in Mustern, die zwar wahllos waren, aber dennoch bewußt geheimnisvoll wirkten, so ominös und voller Bedeutung wie die alten Schriftzeichen eines längst gestorbenen chinesischen Mystikers.
    Entlang der Grenze des Gartens – klein und von einer Mauer umgeben, wie in den meisten Vierteln in Südkalifornien – zitterten indische Lorbeersträucher und Eugenien kläglich im kalten Wind. In der nordwestlichen Ecke peitschten die langen und zierlichen Zweige eines roten Eukalyptus durch die Luft und warfen längliche Blätter so rauchsilbern wie die Schwingen einer Libelle ab. In den Schatten, welche die Bäume warfen – und hinter einigen kleineren Sträuchern –, gab es Stellen, wo ein Mann sich verstecken konnte.
    Marty hatte nicht die Absicht, dort zu suchen. Wenn sich sein Widersacher aus dem Haus geschleppt hatte, um sich – wahrscheinlich vom Blutverlust geschwächt – in einem kalten, nassen Nest aus Jasmin und Schmucklilien zu verstecken, dann war es nicht dringend erforderlich, ihn zu finden. Wichtiger war, dafür zu sorgen, daß er im Augenblick nicht unverfolgt floh.
    Ganze Chöre von Kröten, die sich längst der Trockenheit angepaßt und an das Wasser der Rasensprenger als einzige Quelle von Feuchtigkeit gewöhnt hatten, sangen in ihren verborgenen Nischen, Dutzende schrille Stimmen, die normalerweise bezaubernd waren, jetzt aber unheimlich und bedrohlich wirkten. Über ihre Arie hinweg konnte man das Heulen ferner, aber näher kommender Sirenen vernehmen.
    Falls der Eindringling versuchte zu fliehen, bevor die Polizei eintraf, standen ihm nur wenige Fluchtwege zur Verfügung. Er hätte über eine der Mauern des Grundstücks klettern können, aber das schien unwahrscheinlich, denn so wundersam seine Genesung auch vonstatten gehen mochte, er hätte nicht genügend Zeit gehabt, über den Rasen zu laufen, sich durch das Gebüsch zu zwängen und in einen der angrenzenden Gärten zu springen.
    Marty wandte sich nach rechts und lief unter der tropfenden Pergola heraus. Nach kaum sechs Schritten war er naß bis auf die Haut, folgte dem Weg um das Haus herum und eilte dann an der Rückseite der angebauten Garage entlang.
    Der Wolkenbruch hatte Schnecken aus ihren feuchten und schattigen Verstecken gelockt, wo sie normalerweise bis nach Einbruch der Nacht blieben. Ihre blassen, gallertigen Leiber streckten sich so weit es ging aus den Häusern, die Fühler hatten sie suchend ausgefahren. Es blieb unvermeidlich, daß er auf einige trat und sie zu Brei zerquetschte, und da fuhr ihm der abergläubische Gedanke durch den Kopf, daß ihn jeden Moment eine kosmische Wesenheit gleichermaßen achtlos unter ihrem Fuß zertreten würde.
    Als er um die Ecke auf den Gehweg bog, der von der Garagenmauer und einer Eugenienhecke begrenzt wurde, rechnete er damit, daß er seinen Doppelgänger zur vorderen Grenze des Grundstücks hinken sehen würde. Der Weg lag einsam und verlassen da. Die vordere Tür stand halb offen.
    Die Sirenen waren viel lauter geworden, als Marty die Einfahrt vor dem Haus erreichte. Er trat platschend durch einen Rinnstein, in dem zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch Wasser so kalt wie der Styx stand, sprang auf die Straße und sah nach rechts und links, aber es war noch kein Polizeiauto in Sicht.
    Auch den Anderen konnte er nirgendwo finden. Marty stand allein auf der Straße.
    Im nächsten Block südlich raste ein Auto davon, aber so weit entfernt, daß er Marke und Modell nicht erkennen konnte. Obwohl es für die Wetterverhältnisse viel zu schnell fuhr, bezweifelte er, daß der Andere darin saß. Er konnte immer noch kaum glauben, daß der schwerverletzte Mann hatte gehen können, geschweige denn, sein Auto erreichen und so schnell wegfahren. Ganz bestimmt fanden sie den Mistkerl in der Nähe, bewußtlos oder tot im Gestrüpp. Das Auto bog viel zu schnell um die Ecke; das dünne Quietschen der protestierenden Reifen war über das Plitschplatsch und Murmeln des Regens zu hören. Dann war es fort.
    Von Norden schwoll der Bansheegesang der Sirenen plötzlich viel lauter an; Marty drehte sich um und sah eine schwarz-weiße Limousine der Polizei fast ebenso schnell um die Ecke kommen wie das andere Auto im Süden verschwunden war. Rot-blaue Blinklichter warfen bunte

Weitere Kostenlose Bücher