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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Verhör. Obwohl der Gefangene in ein Sicherheitsfeld eingeschlossen war, das ihm nur zeitlupenhafte Bewegungen gestattete, hatte der hünenhafte Mann sofort versucht, sich auf ihn zu stürzen. Doch es war weniger der Gewaltausbruch selbst als vielmehr der besinnungslose Hass in den Augen des Fremden, der Leon bestürzt zurückweichen ließ. Die wenigen Bilder, die sich ihm darboten, brachten keinerlei Aufschluss über Herkunft und Absichten des Fremden – die Wiederholung des Ablaufs seiner Gefangennahme, ein nächtlicher Zweikampf und eine Paarungsszene, die in ihrer Brutalität eher einer Vergewaltigung glich ...
    »Eine schockierende Erfahrung, nicht wahr?« Der Sprecher lächelte nicht mehr, und obwohl es nur eine Suggestion war, war Leon für das Mitgefühl in seinem Blick dankbar.
    »Sie wissen, wer diese Leute sind?«, erkundigte er sich, von einer düsteren Ahnung erfasst.
    »Leider ja. Offenbar handelt es sich um ein Vo rauskommando der Mareen – Kriegsnomaden mit der Intelligenz und Barmherzigkeit eines Heuschreckenschwarms. Nach unseren Erfahrungen ist eine Verständigung mit dieser Spezies unmöglich.«
    »Sie hatten also Kontakt mit diesen ... Mareen ?«
    »Zwangsläufig, Señor Castillo. Doch bevor ich Ihnen die Geschichte erzähle, würde ich gern erfa hren, was Sie nun wirklich gesehen haben, wenn das Verhör so unergiebig war, wie Sie sagen.«
    Leon hatte mit dieser Frage gerechnet, dennoch fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden.
    »Es war keines der üblichen Bilder, eher ein Traum – ein Alptraum, der sich beinahe jede Nacht wiederholte. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können ...«
    »Wir träumen nicht«, erklärte der Sprecher mit unbewegter Miene.
    »Ich stand am Fenster und sah hinaus in den Großen Garten. Draußen tobte ein Gewitter; der Himmel war fast schwarz und von Blitzen durchzuckt. Doch dann wurde mir klar, dass das kein gewöhnliches Unwetter sein konnte. Die Blitze sahen anders aus, und wenn sie den Boden erreichten, setzten sie alles ringsum in Brand. Was ich für Donner gehalten hatte, waren Geschützfeuer und das Krachen der Einschläge. Aber auch das war noch nicht das Schlimmste, denn plötzlich begann es weiter draußen zu regnen. Jedenfalls hielt ich es dafür, bis mir klar wurde, dass das, was da vom Himmel fiel, lebte. Zuerst dachte ich an Heuschrecken wie in der Offenbarung des Johannes, aber ich hatte mich getäuscht: Es waren Menschen!«
    »Menschen, die vom Himmel fielen?«
    »Ja, und es müssen Unzählige gewesen sein. Aus der Entfernung sahen sie aus wie Insekten, wenn sie fielen und sich wieder aufrappelten. Und es wurden immer mehr – einer Ameisenarmee gleich, die wie ein dunkler Pelz das Gelände überwucherte und sich vorwärtswälzte – dem Großen Garten entgegen. Und dann hörte ich sie schreien. Kein Tier schreit so, nicht einmal eine ganze Herde. Es klang, als hätten sich die Pforten der Hölle geöffnet und die verdammten Seelen ausgespieen. Und vielleicht waren sie tatsächlich verdammt, die Männer mit den rußgeschwärzten Gesichtern, die sich an ihrem eigenen Gebrüll berauschten. Im Licht der Flammen konnte ich sehen, wie die ersten über die Mauer setzten und mit aufgepflanzten Bajonetten in den Garten stürmten. Ich konnte kein Glied rühren, stand starr wie die Statuen der Heiligen Apostel draußen, denen die Eindringlinge im Vorbeilaufen die Köpfe abschlugen ...«
    Leon brach ab und schüttelte sich, als könne er so die Bilder verdrängen, die ihn seither verfolgten.
    »Seltsam.« Der Sprecher wiegte nachdenklich den Kopf. »Das ist genau die Art, in der die Mareen angreifen und ihre Gegner buchstäblich überrennen – aber schon seit sehr langer Zeit nicht mehr hier . Wieso konnten Sie das sehen?«
    »Ich weiß es nicht.« Leon zuckte mit den Schu ltern. »Glauben Sie ...« Er brach ab und räusperte sich. »Glauben Sie, dass es so kommt?«
    Der Besucher blieb sekundenlang stumm, aber vie lleicht erschien das Leon auch nur so, weil sein Puls wie wild in den Schläfen hämmerte. Im Grunde war das Zögern des Sprechers schon Antwort genug. Was folgte, war nur die Bestätigung: »Wir können es nicht ausschließen.«
    »Und es gibt nichts, was wir dagegen unterne hmen könnten?«
    »Wenig, wenn man von den Alternativen absieht, die Sie längst selbst in Erwägung gezogen haben.«
    In diesem Moment entschloss sich Leon, seinen Stolz und alle diplomatischen Rücksichten zu vergessen. Es stand zu viel auf dem

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