Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Datentransfer, Sire«, bestätigte die KI knapp. »Soll ich die Schleuse trotzdem aktivieren und die Treppe ausfahren?«
»Natürlich. Wenn er unsere Einladung annimmt, haben wir hier wenigstens eine Art Heimspiel. Da draußen ist mir alles eine Nummer zu groß.« Ta tsächlich fühlte sich Leon durch die prompte Reaktion seiner unbekannten Gastgeber verunsichert. Pater Marquardt hatte ihn eindringlich gewarnt, die Tanuat ohne vorherige Absprache aufzusuchen, und so hatte Leon durchaus damit gerechnet, abgewiesen oder gar vertrieben zu werden. Doch stattdessen schickte man ihm einen Unterhändler, der nicht nur wie ein Mensch aussah, sondern vermutlich auch mit den regionalen Gepflogenheiten vertraut war. Unter »Unnahbarkeit« verstand Leon etwas anderes ...
»Sire?« Die Stimme der KI klang seltsam veru nsichert.
»Was denn?«
»Es gibt ein Problem im Bereich der Ortungssysteme.«
»Geht es vielleicht etwas konkreter?«
»Leider nicht, Sire. Die Ursache der Fehlfunktion lässt sich derzeit nicht lokalisieren.«
»Welcher Fehlfunktion?«
»Unsere Position lässt sich nicht mehr ermitteln, Sire.«
»Seit wann?« Leon spürte, wie seine Kehle tr ocken wurde.
»Exakt seit der Aktivierung des Traktorstrahls. Möglicherweise haben sich damit auch die physik alischen Bedingungen geändert.«
»Unsinn, Cap, check das Ganze noch einmal durch. Vorher sollten wir allerdings unseren Gast hereinbi tten.«
»Die Hermetisierung ist bereits aufgehoben, S ire.«
»Dann schalte die Willkommensbeleuchtung ein.«
»Ist soeben erfolgt, Sire.«
Die Vollzugsmeldung war überflüssig, denn der Lichtkegel des Außenscheinwerfers war deutlich auf dem Monitorbild zu erkennen. Die Gestalt des Fremden stand direkt im Licht und warf einen hart abgegrenzten Schatten auf den Boden. Also handelte sich tatsächlich um ein körperliches Wesen und nicht um eine Projektion.
Wie Leon gehofft hatte, verstand der Fremde den leuchtenden Korridor als Signal. Er verbeugte sich leicht und ging dann gemessenen Schritts Richtung Treppe. Kaum eine Minute später hatte er die Schleuse erreicht und absolvierte ohne Zwischenfälle die Dekontaminierungs-Prozedur und den Druckausgleich.
Leon verspürte ein leichtes Schwindelgefühl, als er aufstand, um seinem Gast entgegenzugehen. Er hatte wenig geschlafen in letzter Zeit und außerdem seine Übungen vernachlässigt. Die Aufregung trug sicher das Ihre dazu bei, seinen Blutdruck in die Höhe zu treiben. Leonard de Castillo war kein ju nger Mann mehr.
Als das Signal ertönte und die Tür zur Seite glitt, hatte er sich wenigstens so weit gefangen, dass er nicht mehr um sein Gleichgewicht fürchten musste. Dafür konnte er das Hämmern seines Pulses bis in die Schläfen spüren. Immerhin war diese Begegnung eine Chance, die so nicht wiederkommen würde. Pater Marquardt war überzeugt gewesen, dass ihm die Tanuat weiterhelfen konnten. Falls es Leon g elang, sie zu überzeugen ...
Der junge Mann, dem sich Leon Sekunden später gegenübersah, hatte nichts Fremdartiges oder gar Furchteinflößendes an sich. Mit seinem Geschäft sanzug und dem gepflegten Haarschnitt ähnelte er eher einem aufstrebenden Bankangestellten als einem Abgesandten der ältesten und mächtigsten Spezies des erforschten Universums. Er erwiderte Leons Begrüßungsworte mit einer höflichen Verbeugung und stellte sich seinerseits als »Sprecher« vor. Seine Interlingua war entsprechend perfekt und ohne den geringsten Akzent.
Der Besucher bewegte sich vollkommen natürlich, und als er schließlich Leon gegenüber Platz geno mmen hatte, glaubte der sogar den Duft eines exklusiven Rasierwassers wahrzunehmen. Die Illusion war so perfekt, dass es Leon zunehmend schwerfiel, sich ihr zu entziehen. Vergeblich suchte er nach einem Makel, einer Unachtsamkeit, die seinen Besucher als Fremdweltler oder wenigstens als künstliche Schöpfung entlarven konnte, bis er sich klarmachte, dass die Tanuat einen derart primitiven Fehler niemals begehen würden. Einzig die Bilder fehlten, die Leon in Gesellschaft von Menschen sah, was vermuten ließ, dass die Tanuat nichts von seiner Gabe wussten.
Es blieb dem Sprecher vorbehalten, die Illusion des höflichen, aber ein wenig unbedarften jungen Ma nnes zu zerstören.
»Sie haben einen langen Weg auf sich genommen, Señor Castillo«, stellte der Besucher in einem To nfall fest, der klarmachte, dass damit nicht nur die räumliche Distanz gemeint war. »Sicher aus gutem Grund ...«
Leon nickte, ging aber
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