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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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das nicht auf ...
    Doch der Krampf in seinen Eingeweiden ließ erst nach, als er den letzten Tropfen Mageninhalt he rausgewürgt hatte und vor Erschöpfung nicht einmal imstande war, die Spülung zu betätigen. Es dauerte endlose Minuten, bis er sich soweit erholt hatte, dass er die beschmierte Kleidung abstreifen und sich unter die Dusche schleppen konnte. Vincent ließ das warme Wasser auf seine Haut prasseln und spürte, wie seine Lebensgeister allmählich zurückkehrten. Seine Knie waren zwar immer noch weich, aber sie trugen ihn wieder, und nach einer Weile musste er sich nicht einmal mehr an der Duschstange festhalten, um aufrecht zu stehen.
    Er seifte sich gründlich ab und wusch die Haare, doch das Ekelgefühl, das ihn seit seiner Rückkehr beherrschte, ließ sich nicht abspülen. Selbst nac hdem er kalt geduscht und sich gründlich abfrottiert hatte, fühlte er sich allenfalls körperlich ein wenig besser. Angewidert warf er die Wäschestücke in den Recycler und ließ, nachdem er Minuten gebraucht hatte, um sich dazu aufzuraffen, das abgezogene Bettzeug folgen. Fast gebetsmühlenhaft versuchte er sich selbst davon zu überzeugen, dass es sich bei all den Widerwärtigkeiten um die üblichen Begleiterscheinungen eines mehrtägigen Ausflugs handelte, doch das Gefühl der Erniedrigung und des Selbstekels blieb. Zweifellos würde die Gegenreaktion seines Organismus auf die Endorphin-Ausschüttungen während der Simulation irgendwann nachlassen, aber die Hoffnung auf Besserung blieb ein schwacher Trost.
    Es war nicht nur die körperliche Übelkeit, die Vi ncent zu schaffen machte, auch die Art seiner Wahrnehmungen war gestört. Das Licht erschien kalt und überzog sämtliche Gegenstände mit einem blaugrünen Schimmer, während die wärmeren Farben aus dem Spektrum verschwunden waren. Die Lüftungsanlage summte so laut, dass Vincent versucht war, sie wenigstens vorübergehend abzustellen. Einzig die Furcht, dass ihr Verstummen andere, vielleicht noch beunruhigendere Geräusche in den Fokus seiner Wahrnehmungen treiben würde, hielt ihn davon ab. Schon jetzt glaubte er hinter dem Summen eine Art Kratzen wahrzunehmen, wie wenn jemand mit scharfen Klauen von außen an den Wänden scharrte. Jeder Versuch, das Geräusch zu ignorieren, führte nur dazu, dass er es noch deutlicher hörte und mittlerweile sogar bestimmten Lokalisationen zuordnen konnte. Natürlich wusste Vincent, dass das Geräusch nur in seiner Einbildung existierte, dass niemand an der Wand kratzte, weil da draußen nichts anderes existieren konnte als das Nichts selbst. Er war gefangen in diesem Nichts, von dem ihn nur ein paar Millimeter Spezialstahl trennten. Vielleicht war der Erosionsprozess schon längst im Gang und das Geräusch war kein Kratzen, sondern das Knirschen des überlasteten Materials? Er lauschte – und richtig, da war noch etwas anderes, ein feines Knistern, spröde wie splitterndes Glas ...
    Unsinn! Vincent schüttelte unwillig den Kopf. Die Schiffswände hatten schon ganz anderen Belastungen standgehalten als denen des momentanen Normalraum-Transfers. Auch die akustische Überempfindlichkeit war eine Nachwirkung des Trips ...
    Die Argumentation war plausibel, vermochte aber nicht bis zu Vincents ängstlich lauschendem Selbst vorzudringen. Er blieb noch für Minuten zusa mmengeduckt auf dem Kabinenboden hocken, bis er schließlich seine Angststarre überwand und sich – noch immer halb in Trance – zurück in die Sanitärzelle schleppte.
    Das Gesicht, das ihm aus dem Spiegel entgege nstarrte, war das eines fahlhäutigen Untoten. Vincent zog eine Grimasse, und das Monster tat es ihm nach. Also doch . Er musste dringend etwas unternehmen ...
    Mit einer fast übermenschlichen Anstrengung wan dte er sich ab und ging hinüber zum Medcenter. Er grinste in das Kameraauge, gab mit zitternden Fingern das Codewort ein – wenigstens das hatte er nicht vergessen – und wartete mit hämmerndem Puls, bis die Tür aufschwang. Es lag ein einziger Blister darin, mit nur zwei Tabletten, wie er enttäuscht feststellte. Offenbar hielt es die Überwachung für angezeigt, das Medikament zu rationieren. Egal. Er schluckte die Tabletten hinunter, trank ein halbes Glas Wasser hinterher und stakste auf unsicheren Beinen zurück zu Kabine.
    Muss schlafen. Er war nicht wirklich müde – so rasch wirkte kein Medikament der Welt, aber er wusste instinktiv, dass er nur so dem Truthahn entrinnen konnte, der unentwegt weiter auf seine Nervenenden einhackte.

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