Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Zuschauermenge, die keinerlei Notiz von ihm nahm. Es war nur ein Aufschub, das wußte Jerry, aber gleichzeitig war es auch seine Chance – die einzige und letzte.
Die Musiker bearbeiteten ihre Instrumente bis zur Erschöpfung, während ihnen der Schweiß in die Augen lief. Mr. Steelhammer prügelte wie ein Be rserker auf das Schlagzeug ein, und Jerry ließ das Stück mit einem harten Riff ausklingen, bevor er mit der spielerischen Eleganz eines Artisten ein neues Instrument hervorzauberte und es mit dem letzten tosenden Trommelwirbel hoch in die Luft warf, wo es wie ein leuchtender Pfeil seinem Ziel entgegen strebte – dem in unheilvollem Rot schimmernden Auge des Drachen!
Die meisten Zuschauer bemerkten den Schatten am Himmel erst, als das Auge des Ungeheuers mit einem dumpfen Knall in einer roten Funkengarbe zerbarst. Einige schrien erschrocken auf, die Meh rzahl aber verfolgte das Schauspiel vollkommen regungslos in einer Mischung aus Staunen und Entsetzen.
Blind und orientierungslos brüllte der Drache se inen Schmerz hinaus und versengte mit seinem feurigen Atem die Wipfel der Bäume. Augenblicke später verlor das Monstrum die Kontrolle über seine Bewegungen. Die Flügel erschlafften, der massige Körper fiel wie ein Stein, nein, wie ein Felsblock vom Himmel und stürzte in den See, dessen Fluten sich gurgelnd über ihm schlossen. Erst als die Gischt hoch aufspritzte und Wellen tosend ans Ufer schlugen, entlud sich die Anspannung der Zuschauer in einem tiefen Aufatmen, in das sich bald Ausrufe der Erleichterung und Jubelschreie mischten.
Jerry hatte den Flug der Waffe und den Sturz des Drachens mit dem Staunen eines Kindes verfolgt. Erst das Geschrei und der Jubel des Publikums ri ssen ihn aus seiner Erstarrung. Er begriff noch immer nicht vollständig, was geschehen war, aber das musste er auch nicht. Es war sein großer Auftritt, und er würde ihn so zu Ende bringen, wie er es Leona versprochen hatte – ohne einen Gedanken an das Böse zu verschwenden.
»Danke!«, rief er ins Mikrofon und übertönte d amit die Unruhe und den Jubel des Publikums. »Aber ich habe euch ein Konzert versprochen und nicht nur ein einziges Stück. Es geht weiter!«
Und so begann er zu spielen, wie er sich es vorg enommen hatte, und riss die anderen Musiker mit zu einem Konzert, das zur Legende wurde.
Der Zauberer war tot. Einer von Leonas geschuppten Freunden fand den zerschmetterten Körper des Mannes am nächsten Tag in der mittlerweile gefluteten Knochenhöhle im Körper des Drachens, die ihm als Steuerzentrale gedient hatte. Doch weder sein Tod noch die Zerstörung seiner Behausung vermochten Leonas Mutter Annie und die anderen Opfer seiner Experimente in Menschen zurückzuverwandeln. Die Technik der Bewusstseinsimplantation wurde innerhalb der Föderation nur sehr zurückhaltend angewandt, und es würde es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis entsprechende Klonkörper als Zielobjekte herangewachsen waren. Wie Leona Jerry anvertraute, hatte »Mama« auch gar nicht die Absicht, ihre aufregende animalische Existenz aufzugeben.
Jerry nahm die Huldigungen der Öffentlichkeit zurückhaltend und mit einer Spur schlechten Gewi ssens entgegen. Er wusste längst, dass sein Wurfgeschoss kein gewöhnliches Jagdmesser gewesen war, sondern eine auf das Nervenzentrum des Drachens abgestimmte High-Tech-Waffe, die ihm Leandros zugespielt hatte, nachdem einer seiner Angestellten mit dem Versuch, das Monster selbst zur Strecke zu bringen, gescheitert war.
Man hatte ihn benutzt, aber Jerry empfand keinen Groll darüber. Manaos hatte ihm die Farben und Töne zurückgebracht, und er hatte neue Freunde gewonnen. Und was waren die Intrigen und Eitelke iten der Welt schon gegen eine neue Melodie oder das Lächeln eines Mädchens?
Das Paradies des Jägers
Vincent ließ sich auf dem Rücken im warmen Wasser der Lagune treiben und lauschte dem Rauschen der Brandung, die in der Ferne gegen das Riff anrollte. Es war ein beruhigendes Geräusch, und er genoss das morgendliche Bad im Meer, wie er jeden Tag des Ausflugs genoss. Er hielt die Augen geschlossen, denn das Blau des Himmels war so intensiv, dass es beinahe schmerzte. Es gab ohnehin nicht viel zu sehen, außer ein paar Möwen vielleicht, deren helle Schreie er gelegentlich durch das Rauschen hindurch wahrzunehmen glaubte.
Es würde ein schöner Tag werden. Was auch sonst? Es war ein Ort, an dem es nur schöne Tage gab. Wenn er zurückkam, würde Rahina schon mit dem
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