Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

hauptsächlich Lachsfischer lebten. Ja, ein Fremder sei wohl hier gewesen, hatte ihm der Ortsvorsteher, ein  russischstämmiger Hüne namens Fedorov, bestätigt – ein Geschichtenerzähler, der den Leuten allerlei Flausen in den Kopf gesetzt hätte. Aber inzwischen sei er wohl wieder seiner Wege gegangen ...
    Wohin, konnte Fedorov nicht sagen, und ihm war anzumerken, dass es ihn auch nicht sonderlich int eressierte. »Hauptsache, er ist weg«, hatte er nur gebrummt. »Und die Leute kümmern sich wieder um ihre Arbeit. Von mir haben sie natürlich kein Baumaterial bekommen.«
    »Baumaterial, wofür?«
    »Für ein Gebäude, das sie aus irgendwelchen Gründen oben auf dem Mount Alwin errichten wollen. Natürlich habe ich gefragt, wozu das gut sein solle, aber dabei kam nicht viel Sinnvolles heraus. Angeblich bräuchten sie einen Raum, an dem sie nach der Arbeit zusammensitzen und reden könnten – als ob es keine Kneipen im Ort gäbe ... Für solchen Blödsinn hat die Gesellschaft kein Geld.«
    »Und Sie meinen, es war nicht ihre eigene Idee?«
    »Sagte ich ja schon, es war kurz nachdem dieser Weltverbesserer hier aufgetaucht ist.«
    »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Nur von weitem, drüben am Hafen, als er auf die Leute eingeredet hat.«
    »Und wie sah er aus?«
    »Eigentlich wie unsereiner, mit Pelzjacke, Mütze und allem, was dazu gehört. Nur war er eben nicht aus der Siedlung.«
    »Könnte ich mit jemandem sprechen, der Kontakt zu ihm hatte?«
    »Probieren können Sie’s, aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. Die Leute im Ort sind im Moment nicht gut auf die Obrigkeit zu sprechen – und Polizisten mögen sie ohnehin nicht.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich Polizist bin?«, hatte sich Vincent irritiert erkundigt.
    »Weil hier nur Verrückte und Polizisten ohne Gepäck anreisen«, hatte Fedorov gegrinst und ihm einen Schnaps angeboten.  »Und der Verrückte war schon da ...«
    Der Schnaps war gut gewesen, aber damit hatte sich das Entgegenkommen der Kolonisten von L ahotka auch erschöpft. Als Vincent am Abend mit seinem Motorschlitten zum Mount Alwin gefahren war, um einige der mutmaßlichen Zeugen zu befragen, war er auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Dabei war es nicht einmal Feindseligkeit gewesen, die ihm die dort versammelten Männer entgegengebracht hatten. Der eine oder andere hatte Vincent sogar zugelächelt, als bedauere er, dass er sich den weiten Weg umsonst gemacht hatte. Dennoch hatten sie auf  keine einzige seiner Fragen geantwortet. Etwas stand zwischen ihnen – eine unsichtbare Barriere, die stabiler war als die Wände des Blockhauses, das die Männer aus grob behauenen Baumstämmen zusammenzimmerten. 
    Schließlich war Vincent gegangen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Männer unter Druck zu setzen. Als Jäger verfügte er nicht nur über die Möglichkeiten, sondern auch über die Legimitation,  Aussagen zu erzwingen. Dennoch hatte Vincent es nicht getan. Er wäre sich schäbig vorgekommen. Über seine Motive war er sich erst später klar geworden: Was auch immer diese Leute hier oben taten, es war ihre Angelegenheit, nicht seine und nicht die der Zentrale. Sie waren keine Verbrecher wie die Kumpane der Drogenbosse, die Vincent zur Strecke gebracht hatte, und erst recht keine Verschwörer, die die Sicherheit der Föderation gefährdeten. Vielleicht liefen sie einer fixen Idee hinterher, hatten »Flausen im Kopf«, wie Fedorov es ausgedrückt hätte, aber das rechtfertigte keine Gewalt. Vincent ahnte, dass es auch noch einen anderen – weniger rationalen – Grund gab, hütete sich aber, ihn in Worte zu kleiden.
    Einmal mehr musste er unverrichteter Dinge a breisen, denn der mysteriöse Fremde war nach seinem Verschwinden aus der Siedlung nirgendwo mehr gesehen worden – auch nicht am Raumhafen, von wo aus in der fraglichen Zeit ohnehin kein einziges Schiff gestartet war. Um alle Eventualitäten auszuschließen, hatte Vincent die »Diana« noch ein gutes Dutzend Mal im Spürmodus den Planeten umkreisen lassen – natürlich ohne Erfolg. Die wenigen Wärmequellen, die der Infrarotscanner außerhalb der Siedlungen aufspürte, erwiesen sich allesamt als Vertreter der spärlichen Fauna des Winterplaneten.
      Die Zentrale nahm Vincents Bericht wie stets kommentarlos zur Kenntnis, kam aber seiner Bitte um Handlungsanweisungen dahingehend nach, dass sie die »Diana« nach Mahony-Base zurückbeorderte, einem Stützpunkt mit Direktverbindung zu den Kernwelten der