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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zweite war ein spitz zulaufendes Stück Metall mit Widerhaken von etwa der gleichen Länge.
    Max betrachtete etwa eine Minute lang beide Gegenstände. Dann nahm er das Metall und steckte es an dem verdickten Ende auf die hölzerne Stange. Es passte perfekt, und fertig war eine Lanze oder ein Speer von über zwei Metern Länge.
    »Das ist ein
pilum
«, sagte er. »Eine römische Lanze. Der untere Teil ist wahrscheinlich aus Hartriegelholz gemacht. Sie war sicher hier und hier mit Nägeln zusammengehalten.« Dabei wies er auf zwei Löcher, die diese hinterlassen haben mussten.
    »Das sieht ja gefährlich aus«, meinte der Doktor. »Damit konnte man einiges anrichten.«
    »Sie wurde im Kampf von Legionären benutzt, die man
pilani
nannte.«
    »›Der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsbald ging Blut und Wasser heraus.‹« Gerald sprach die Worte wie beim Ostergottesdienst in einer großen Kathedrale, als entströmten sie seinem Mund ganz von selbst. »Das Evangelium des Johannes«, sagte er. »Er ist der Einzige, der den Soldaten erwähnt.«
    »Longinus«, sagte Max. »So soll er geheißen haben. Ein legendärer Name. Wie auch die Lanze. Der Speer des Schicksals.«
    »Jetzt machen Sie sich aber lustig über uns«, meinte Donaldson. »Sie werden mir doch nicht einreden wollen …«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber schauen Sie sich doch erst einmal an, was hier noch liegt.«
    Nacheinander nahm er die anderen Gegenstände aus dem Schrein und legte sie vorsichtig auf dem Fußbodenab. Sie wirkten sehr fragil und wogen schwer, nicht materiell, sondern wegen ihres Alters und ihrer Bedeutung.
    Alles in allem waren es fünf Objekte – die Lanze, ein ockerfarbener, irdener und völlig schmuckloser Becher, der wie ein »V« geformt war, eine Schale, in die jemand etwas hineingedrückt hatte, das wie ein Kranz aus Brombeerranken wirkte, ein mit feiner Schnitzerei bedecktes Kästchen aus Elfenbein, das sich leicht öffnen ließ und drei grobe Metallnägel von etwa 15 Zentimetern Länge enthielt, schließlich ein großes rechteckiges hölzernes Schild, auf das man drei Inschriften von je einer Zeile auf Griechisch, Latein und Hebräisch gemalt hatte:

    Während Gerald eine Öllampe über Max’ Schulter hielt, entzifferte der die ersten beiden Zeilen.
    »Sie bedeuten alle dasselbe«, sagte er. »Ich nehme an, ihr erratet es bereits: ›Jesus von Nazareth, König der Juden.‹ Wir haben hier den
titulus,
das hölzerne Schild vor uns, das ganz oben am Kreuz angenagelt war.«
    Clark bekreuzigte sich instinktiv im Dunkeln. Gerald, einem nicht sehr frommen Anglikaner, schlug das Herz bis zum Hals. Selbst die beiden Nichtgläubigen, Chippendale und Donaldson, spürten, welch enormes Gewicht dieser Gegenstand hatte und was er bedeutete.
    Max legte ihn auf den Fußboden und richtete sich auf.
    »Wenn es sich tatsächlich um den
titulus
handelt«, erklärte er, »dann ist die Identität der anderen Objekte unbestreitbar. Es sind die Nägel, mit denen Christus ansKreuz geschlagen wurde, die Dornenkrone, die Lanze des Longinus und der Heilige Gral.«
    »Aber ich dachte, der Gral …«, hub Donaldson an.
    »… sei ein mit Edelsteinen besetzter goldener Kelch?« Max schüttelte den Kopf. »Jesus war ein armer jüdischer Lehrer, Sohn eines Zimmermanns. Dieser irdene Becher ist genau das, woraus der wirkliche Jesus beim Letzten Abendmahl getrunken haben kann. Ich denke, dieser Raum ist echt. Nicht einmal das Grab des Tutanchamun kann sich mit ihm messen. Wir sind hier auf den wichtigsten archäologischen Fund der Geschichte gestoßen. Die Frage ist, was wir damit anfangen. Wir können alles so lassen, wie wir es vorgefunden haben, und mit Archäologen hierher zurückkehren. Vor allem mit jemandem, der Hebräisch und Aramäisch lesen kann. Oder wir können die wichtigsten Gegenstände mitnehmen, um ihren Bestand zu sichern.«
    Gerald dachte, es sei nun an der Zeit, dass er wieder das Heft in die Hand nahm. Immerhin war er der Chef dieser Truppe.
    »Gentlemen«, sagte er, »wir müssen diese Objekte nach Kairo mitnehmen. So viel wir mit unseren Fahrzeugen abtransportieren können. Wir sind hier einen Teil unserer Vorräte losgeworden, so dass Raum für neue Ladung vorhanden ist. Wenn wir diese Funde hier zurücklassen, weiß Gott allein, was aus ihnen werden kann. Lieutenant Chippendales kundige Archäologen werden wir später hierher führen und das Ihre tun lassen. Bevor eine solche Expedition überhaupt

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