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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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bestimmt sechzig oder siebzig Jahre, vielleicht noch mehr. Als Transsilvanien nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig ein Teil von Rumänien wurde, sind viele Ungarn fortgegangen. Die meisten nach Ungarn, einige auch nach Österreich. Ich denke, damals haben auch die Almásys diese Gegend verlassen. Vielleichtkommen sie gelegentlich zu Besuch, das weiß ich nicht. Aber das Schloss hat jetzt andere Besitzer. Die lassen sich bei uns kaum blicken. Und sie wollen auch nicht, dass von den Ortsbewohnern jemand in ihre Nähe kommt. Ein paar Leute von einem Reisebüro in Oradea sind einmal auf dem Schloss gewesen, um den Besitzern zu erklären, dass es ein toller Ort für ein Hotel wäre. Touristen würden eine Menge Geld bezahlen, um einmal dort zu wohnen oder es zumindest zu besuchen.«
    »Und was ist passiert?«
    »Irgendetwas Schlimmes. Sie haben sich nie wieder dorthin getraut. Eine Freundin hat es mir erzählt, aber sie wusste auch nichts Genaues. Das Schloss soll von einem hohen Zaun umgeben sein. In den umliegenden Wäldern gibt es Wölfe. Das Gelände wird von bewaffneten Posten mit großen Hunden bewacht. Über das Schloss sind viele Geschichten im Umlauf, aber nichts Konkretes. Manche sagen, dort würden Kinder geopfert, es seien Angehörige eines üblen Kults, es gäbe Orgien mit Frauen, die sie herbeischaffen. Dann heißt es wieder, das seien Nazis oder das Schloss sei ein sehr strenges Kloster. Niemand weiß, was dort vorgeht. Zumindest niemand von uns hier.«
    Sie hielt inne und trommelte eine Weile mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Sie sollten nach Bukarest fahren«, meinte sie dann. »Vielleicht weiß die Regierung etwas über das Schloss. Die Geheimdienste bestimmt. Oder die Polizei.«
    »Ich habe keine Zeit, Ilona. Wenn sie hier ist, dann kann sie erst heute Morgen eingetroffen sein. Diese Männer sind zu allem fähig. Falls sie noch lebt, ist sie in großer Gefahr. Ich benötige nur einige Hinweise, wie ich dorthin finden kann. Der Rest liegt bei mir.«
    »Sind Sie bewaffnet?«
    »Ich glaube nicht, dass das …«
    »Ethan, Sie sind hier nicht im Land des berühmten britischen Bobbys. Ich helfe Ihnen auf keinen Fall, wenn Sie unbewaffnet dorthin gehen wollen. Dann wären Sie einfach ein … Wie sagt man?«
    »Hindernis?«
    »Nein. Eine Belastung.«
    Er nickte. Sie hatte recht.
    »Ja«, sagte er. »Ich bin bewaffnet. Können Sie mir den Weg beschreiben? Wie lange fährt man bis dorthin?«
    Jetzt wirkte sie richtig belustigt. Ihr silbernes Lachen schallte durch den Raum und rief bei den Umsitzenden neues Stirnrunzeln und böse Blicke hervor.
    »Sie können dort nicht mit dem Wagen hinfahren. Hier muss man zu Fuß gehen. Zu diesem Schloss gibt es keine Straße.«
    »Aber ich habe einen Geländewagen. Je näher ich herankomme …«
    Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu.
    »Hören Sie bitte auf mich, Chief Inspector. Sie sind neu hier. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, das ist nicht William Blakes schönes grünes Land.« Der Vergleich schien ihr selber zu gefallen. Ethan lächelte ihr aufmunternd zu.
    »Wir sind hier mitten im Gebirge. Überall Felsen, Schluchten und Höhlen. Große Höhlen. Vielleicht die größten der Welt. Wenn Sie in eine hineinfallen oder auch nur aus Versehen hineingehen, kommen Sie vielleicht nie wieder heraus. Dann findet einer, was von Ihnen übrig ist, im Frühling oder erst in einigen Jahren. Sie brauchen einen Führer. Sie können nicht einfach ihrer Nase nachgehen, selbst wenn es die eines Kriminalisten ist. Wenn ich mitIhnen gehen sollte, dann müssen Sie sich gut benehmen. Und tun, was ich sage.«
    Ethan prustete entrüstet.
    »Ilona, Sie kann ich doch nicht … Das ist kein Job für …«
    »… ein kleines Mädchen? Eine Frau? Eine bemitleidenswerte Frau mit einem Spatzenhirn?«
    »Das habe ich nicht gemeint …«
    »Genau das haben Sie sagen wollen. Aber ich werde Ihnen mal was über Sâncraiu erzählen. Wenn Sie glauben, einer von diesen tollen Kerlen, die hier rumsitzen, geht mit Ihnen, dann haben Sie sich geirrt. Und wenn Sie an jede Tür klopfen wollen, sind Sie morgen Abend noch nicht fertig, und Sie werden keinen finden. Wenn Sie es aber allein versuchen, überleben Sie das nicht. Es ist Winter. Dieses Land kann jeden umbringen, wenn er noch so gut ausgerüstet ist. Und um die Frau, die Sie suchen, diese Sarah, ist es dann auch geschehen.«
    »Wie viel verlangen Sie?«
    »Gar nichts. Zumindest kein Geld. Ich möchte, dass Sie mir, wenn das hier vorüber ist, in

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