Die zweite Nacht
erspähte. Mein Herz machte einen Satz, als ich erkannte, dass er mich natürlich suchte. Vielleicht war mein Plan doch nicht so gelungen. Doch die Stimme in meinem Hinterkopf war laut genug, um meine Zweifel zu übertönen und machte mir eindringlich klar, dass meine Freiheit und mein Seelenfrieden auf dem Spiel standen. Ich erlaubte es mir nicht, die fadenscheinigen Argumente der Stimme genauer unter die Lupe zu nehmen und grinste Simon an.
Es war gar nicht so einfach, ihm so viel Augenkontakt zukommen zu lassen, dass er sich gut fühlte, aber gleichzeitig nicht so viel, dass er nicht dachte, ich würde gleich hier mit ihm schlafen wollen. Ich befürchtete nämlich, dass das seine Absicht war.
Queen tönte aus den Boxen – »Thank God It’s Christmas« . Für Simon fiel das Lied offensichtlich unter Balladen, denn ehe ich mich versah, lagen seine Arme um meine Taille und wir tanzten enger miteinander. Nicht so eng, dass es mir unangenehm gewesen wäre, aber jetzt war vermutlich der geeignete Zeitpunkt, ihm mitzuteilen, dass ich mit einem seiner Arbeitskollegen zu der Party gekommen war.
Eine Umdrehung später sah ich Frederik, der mit verschränkten Armen und hochgezogener Augenbraue an der Wand lehnte. Er wirkte alles andere als erfreut. Mein schlechtes Gewissen kreischte auf, die gehässige Stimme protestierte.
Obwohl ich in diesem Moment kurz davor stand, mich zu übergeben, beugte ich mich näher zu Simon und sagte: »Gibt es hier vielleicht einen Ort, an dem man«, ich wartete die wohl platzierte Pause ab, »etwas ungestörter ist?«
Sein erfreutes Lächeln war Antwort genug. Er führte mich von der Tanzfläche und aus dem Augenwinkel konnte ich Frederiks fassungsloses Gesicht sehen. Schnell wandte ich das Gesicht ab und fragte mich, wieso es sich nur so schrecklich falsch anfühlte, was ich tat.
Wir waren gerade im Treppenhaus angekommen, da entwand ich ihm meine Hand. »Tut mir leid. Ich glaube, das ist keine gute Idee. Gibt es im Stockwerk über uns Toiletten?«
Simon sah sehr enttäuscht aus. »Ja, aber-«
Ich winkte ab und ergriff sofort die Flucht, sein Protest interessierte mich nicht. Jetzt musste ich erst einmal einen Moment allein sein. Sobald ich mir sicher war, dass ich lang genug von Frederik weg gewesen war, würde ich nach unten schleichen und mir ein Taxi rufen. Frederik würde seine eigenen Schlüsse ziehen, danach würde er sicherlich nie wieder mit mir reden wollen. Warum ließ der Gedanke nur Tränen in mir aufsteigen?
Als ich aus der Damentoilette trat, lehnte Frederik an der Wand gegenüber und funkelte mich an. Ich musste ein Seufzen unterdrücken – er sah in dem schwarzen Jackett einfach verboten gut aus.
»Würdest du vielleicht die Güte besitzen, mir zu erklären, was das soll?« Seine Stimme war leise, aber ich konnte die Wut mitschwingen hören.
»Ich weiß nicht, was du meinst. Das war nur ein Tanz.« Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, aber Frederik stellte sich vor mich und blockierte den Weg zur Treppe.
»Bei jeder Anderen wäre das sicherlich so, aber wie wir schön öfter festgehalten haben, bist du nicht wie andere Frauen, Helen. Also?«
Störrisch wich ich seinem Blick aus, das klare Blau seiner Augen brannte förmlich auf meiner Haut und er musterte mich viel zu eindringlich.
Er machte einen Schritt auf mich zu, doch ich wich nicht zurück. Stattdessen sagte ich leise: »Ich wusste nicht, dass das zwischen uns etwas Exklusives ist. Das hier ist eine Weihnachtsfeier, ich dachte, da ist alles locker und ausgelassen.«
Frederik holte tief Luft. »Willst du mich verarschen? Dir ist schon klar, dass du mit mir hierhin gekommen bist?«
Gelangweilt zuckte ich mit den Schultern, obwohl es fast meine gesamte Kraft kostete.
»Helen, was ist denn plötzlich los?« Ganz nah stand er vor mir und sah auf mich herab.
Als ich nicht antwortete, legte er die Finger unter mein Kinn und wollte es anheben, doch ich hielt dagegen. Schließlich umfasste er mein Kinn und zwang mich, den Kopf in den Nacken zu legen. »Erklär mir, was los ist und was das sollte.«
Unwillig schüttelte ich den Kopf und trat nach hinten, löste mich von seiner Berührung und brachte Abstand zwischen uns. »Ich bin dir keine Erklärung schuldig. Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, war ich volljährig und durchaus in der Lage, das zu tun, was ich will.«
Bevor er noch etwas sagen konnte, schlüpfte ich an ihm vorbei und rannte die Stufen nach unten. Im Vorbeigehen griff ich
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