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Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Rabengut
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Frederik, der noch immer tapfer meinen Rücken tätschelte. Dabei konnte ich das Fragezeichen praktisch über seinem Kopf schweben sehen. Aber ich konnte nichts sagen. Zu groß war meine Angst, dass nur unverständliches Gekreische herauskommen würde.
    »Ich bin übrigens Ole, Helens Ex-Freund«, erläuterte Ole jetzt mit einer Ruhe, die ich nur bewundern konnte.
    Frederiks Hand verharrte kurz an Ort und Stelle, doch ich hatte ja schon öfter miterlebt, dass er sich bemerkenswert schnell wieder fangen konnte. Ich platzte fast vor Stolz, als er einen wunderbar abschätzenden Blick aufsetzte und vollkommen trocken bemerkte: »Na, das erklärt natürlich einiges.«
    Irritiert trat Ole einen Schritt zurück. Was hatte er denn erwartet? Dass Frederik ihn wie einen lang verschollen geglaubten Bruder begrüßen würde? Was für ein Idiot – Ole, nicht Frederik!
    In meiner Kehle stieg ein hysterisches Lachen auf – so lustig war Frederiks Entgegnung allerdings überhaupt nicht gewesen und ich erkannte, dass ich kurz vor einer ausgewachsenen Panik-Attacke stand. Und ich hatte ernsthaft gedacht, Frederik mit zu meiner Familie zu nehmen wäre der schlimmste Teil gewesen!
    Die Sekunden verstrichen und dehnten sich endlos aus, da wir nun alle schwiegen. Ich hatte kein Problem damit, das durchzuhalten und Frederik war vermutlich damit beschäftigt, zu grübeln – aber Ole wurde nervös.  
    Schließlich stieß er hervor: »Nun ja, wir können ja mal telefonieren, Helen. Man sieht sich.« Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand endlich.  
    Mit einem Zischen atmete ich erleichtert aus und Frederik löste sich aus seiner Starre. »Wow«, sagte er nur und schob den Wagen weiter. Allerdings ahnte ich bereits, dass es nicht bei dieser Wortlosigkeit seitens Frederik bleiben würde.

    Ich stellte die beiden großen Tüten mit den Lebensmitteln auf meinen Küchentisch und redete mich dabei immer noch um Kopf und Kragen. Im Verlauf des Einkaufs und der Heimfahrt war ich zu einer wahren Smalltalk-Meisterin mutiert und hatte es krampfhaft vermieden, darüber nachzudenken, dass Frederik verdächtig einsilbig bis gar nicht geantwortet hatte.
    Ich erzählte gerade irgendwelche interessante Fakten über Kartoffeln, als Frederik die Nerven verlor, meinen Oberarm packte und mich herumzog. Seine Augen bohrten sich in meine. »Bekomme ich vielleicht eine Erklärung?«
    Ich presste meine Lippen aufeinander. Weder wusste ich, wo ich mit meinem Bericht beginnen sollte, noch wollte ich überhaupt darüber reden. Ich hatte noch nie mit irgendwem darüber gesprochen. Nicht einmal Elena wusste von Oles Existenz. Tapfer erwiderte ich Frederiks Blick und schüttelte langsam den Kopf.
    Seine Augen wurden schmal und auf der Stirn erschien die steile Falte, die ich bisher erst ein Mal gesehen hatte. »Weißt du was? Es ist mir egal. Ich habe wirklich die Nase davon voll, dass außer für dich in deinem Leben für niemanden Platz ist, Helen.«
    Entsetzt sah ich ihn an, doch er wirbelte herum und schlug tatsächlich die Tür hinter sich zu. Ich zuckte zusammen. Das hatte ich ja noch nie erlebt, er war doch immer so kontrolliert und gelassen. Dann zuckte ich noch ein zweites Mal zusammen, als er auch seine Wohnungstür hinter sich zuwarf.
    Einen Moment stand ich wie betäubt in der Küche und dachte nach. In mir keimte langsam aber sicher der leise Verdacht auf, dass ich vielleicht wirklich das Problem sein könnte.  
    Ein unbestimmtes Gefühl lief durch meinen Körper. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich erkannte, dass es Angst war. Angst, dass ich den Bogen überspannt hatte und Frederik nichts mehr von mir würde wissen wollen. Ein Plan musste her – und zwar schnell.

11

    Nachdem ich eine Weile auf der Couch gelegen und die Decke angestarrt hatte, wusste ich, dass ich dieses Mal nicht alleine weiter kommen würde. Je länger ich die Decke betrachtet hatte, desto überzeugter war ich davon, dass die Stelle, die ich dort oben immer so erbost und wütend anstarrte, bestimmt schon viel abgenutzter sein musste als der Rest. Konnte man Wandfarbe zerdenken?
    Seufzend griff ich nach meinem Telefon und wählte zuerst Elenas Nummer. Sie meldete sich mit dem überraschten Ton in der Stimme, den sie immer aufsetzte, wenn ich anrief. Er war dazu gedacht, mir beizubringen, dass ich öfter anrufen sollte. In Wahrheit bewirkte er genau das Gegenteil.  
    »Hi, ich habe Mist gebaut«, meldete ich mich und sah praktisch vor mir, wie meine Schwester mit

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