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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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niemals gesehen hatte. Ich konnte nicht viel lesen, nur ein paar fing ich auf.
    Und so, wie sich mir ihr Geist öffnete, so öffnete sich mir ihr Körper. Ich drang in sie ein, und wir bewegten uns zusammen, die Körper eins geworden und ebenso unsere Geister; vereint, einander so nahe, wie menschliche Wesen einander nur nahe sein können. Ich spürte, wie die Erregung in großen, majestätischen Wellen über mich hinwegtoste, meine Lust, ihre Lust, wie sie sich vereinte, wuchs, und ich ritt eine Ewigkeit lang auf ihrem Wellenkamm, wurde eine Ewigkeit lang auf eine ferne Küste zugetragen. Und endlich, als sie über den Strand schäumte, kamen wir gleichzeitig, und für eine Sekunde – für eine winzige, flüchtige Sekunde – konnte ich nicht mehr sagen, welcher Orgasmus der meine und welcher der ihre war.
    Aber dann ging es vorbei. Wir lagen auf dem Bett, unsere Körper ineinander verschlungen. Im Sternenlicht. Aber es war kein Bett. Es war der Strand, der flache, dunkle Strand, und über uns gab es keine Sterne. Ein Gedanke berührte mich, ein verirrter Gedanke, der nicht mir gehörte. Lyas Gedanke. Wir sind auf einer Ebene, dachte sie, und ich sah, daß sie recht hatte. Die Wasser, die uns hierhergebracht hatten, waren verschwunden, zurückgeflutet. Da war nur eine gewaltige, flache Dunkelheit, die sich von uns weg in alle Richtungen ausbreitete, mit düsteren, geheimnisvollen Schatten, die sich an jedem Horizont bewegten. Und wir sind hier, wie auf dunklem Felde, dachte Lya. Und plötzlich wußte ich, was diese Schatten waren und was für ein Gedicht sie gelesen hatte.
    Wir schliefen.
     
    Ich erwachte – allein.
    Das Zimmer war dunkel. Lya lag auf der anderen Seite des Betts, zusammengerollt; sie schlief noch. Es war spät, beinahe Morgengrauen, dachte ich. Aber ich war mir nicht sicher. Ich war unruhig.
    Ich stand auf und zog mich in aller Stille an. Ich brauchte einen Spaziergang – irgendwohin, ich mußte nachdenken, mit den Dingen ins reine kommen. Aber – wohin gehen?
    In meiner Tasche war ein Schlüssel. Ich berührte ihn, als ich meine Tunika überstreifte, und ich erinnerte mich. Valcarenghis Büro. Zu dieser späten Stunde würde es abgeschlossen und verlassen sein. Und der Ausblick würde mir helfen nachzudenken.
    Ich ging hinaus, fand die Röhren und ließ mich hinaufschießen, hinauf, hinauf, in die Spitze des Turms, den Gipfel des Menschen, stählerne Herausforderung an die Shkeen. Das Büro war dunkel, die Möbel dunkle Schatten in den Schatten. Da war nur das Sternenlicht. Shkea liegt dem galaktischen Zentrum näher als Alt-Erde oder Baldur. Die Sterne sind ein glitzernder Baldachin über dem Nachthimmel. Einige von ihnen sind sehr nahe, und sie glühen wie rote und blauweiße Feuer in der wundersamen Schwärze über mir. In Valcarenghis Büro sind alle Wände aus Glas. Ich trat vor eine hin und schaute hinaus. Ich dachte nichts. Ich fühlte nur. Und ich fühlte mich kalt und verloren und klein.
    Dann sagte eine sanfte Stimme hinter mir „Hallo“. Ich hörte es kaum.
    Ich wandte mich von dem Fenster ab, aber andere Sterne sprangen mir von den anderen Wänden her entgegen. Laune Blackburn saß in einem der niederen Clubsessel, eingehüllt in Dunkelheit.
    „Hallo“, sagte ich. „Ich wollte nicht stören. Ich dachte, es würde niemand hiersein.“
    Sie lächelte. Ein strahlendes Lächeln in einem strahlenden Gesicht, aber es lag keine Freude darin. Ihr Haar fiel in weichen, dunkelkupfernen Wogen über ihre Schultern, und sie trug etwas Langes und Duftiges. Ich konnte ihre sanften Formen durch das Gewebe sehen, und sie machte keine Anstalten, ihre Blößen zu bedecken.
    „Ich komme oft hierher“, sagte sie. „Meistens nachts. Wenn Dino schläft. Es ist ein guter Ort, um nachzudenken.“
    „Ja“, sagte ich lächelnd. „Das habe ich mir auch gedacht.“
    „Die Sterne sind schön, nicht wahr?“
    „Ja.“
    „Ich finde sie schön. Ich …“ Zögern. Dann erhob sie sich und kam zu mir herüber. „Lieben Sie Lya?“ fragte sie.
    Ein Hammer von einer Frage. Und zur verdammt falschen Zeit. Aber ich wurde ganz gut damit fertig; denke ich wenigstens. Alle meine Gedanken waren noch bei meinem Gespräch mit Lya. „Ja“, sagte ich. „Sehr. Warum?“
    Sie stand nahe bei mir, sah in mein Gesicht und an mir vorbei, hinaus, zu den Sternen. „Ich weiß nicht. Ich denke über die Liebe nach – manchmal. Ich liebe Dino, wissen Sie. Er kam hier vor zwei Monaten an, also kennen wir einander noch

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