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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Hohen Seen, fühlte er irgendwie, daß er Bartling schlagen konnte.
    Er war schon auf anderen Planeten auf ähnliche Probleme gestoßen. Bartling stand mit seinem Haß nicht allein. Seit man einem Menschen zum erstenmal das Gehirn aus dem Schädel gerissen und durch das Kunsthirn eines toten Menschen ersetzt hatte, gab es Leute, die geiferten, diese Praxis sei eine Perversion, und die Führer seien befleckt und unrein. Er hatte sich an dieses Vorurteil gewöhnt; es war Teil des Leichenbedieners. Und er hatte es schon früher überwunden. Er konnte auch Bartling überwinden.
    Der erste Teil der Reise war der schnellste.
    Die beiden Barkassen flitzten über zwei große örtliche Seen, vorbei an dicht mit Silberholzbäumen und rankenschweren Hängern gesäumten Ufern. Aber dann wurden sie langsamer; die Seen wurden kleiner und waren mit Lebewesen vollgestopft, und das Land wurde urtümlicher. An den Ufern wichen die majestätischen Silberhölzer und die eigenartigen Hänger dem dichten, rotschwarzen Chaos aus Feuerdorngestrüpp und einer Art niederer, knorriger Bäume, die nie einen richtigen Namen erhalten hatten. Die Vegetation wuchs auf zunehmend hügeligem und felsigem – schließlich auf bergigem Boden.
    Dann kamen sie durch die Höhlen.
    Es gab buchstäblich Hunderte davon, und sie durchzogen die Berge, die die Siedlung auf allen Seiten umgaben, wie Bienenwaben. Die Höhlen waren nie gründlich kartographiert worden. Es gab zu viele davon, und sie schienen alle miteinander verbunden zu sein und ein natürliches Labyrinth von unglaublicher Kompliziertheit zu bilden. Die meisten davon waren noch halb mit Wasser gefüllt; sie waren von den Bächen und Flüssen, die sie noch immer durchzogen, aus dem weichen Berggestein geschnitten worden.
    Ein Fremder konnte sich in diesen Höhlen leicht verirren, aber Fremde kamen nie dorthin. Und die Leichenführer verirrten sich nie. Dies hier war ihr Land. Hier warteten die Wirbelsteine, in Fels und Dunkelheit gehüllt.
    Alle Barkassen waren mit Lichtern ausgestattet. Kabaraijian schaltete die seinen an, sobald sie die erste Höhle erreichten, und fuhr langsamer. Cochran, der dicht dahinter folgte, tat es ihm gleich. Die Kanäle, die durch die nähergelegenen Höhlen führten, waren allgemein bekannt, aber seicht, und es machte sich nicht bezahlt, wenn man es riskierte, den Boden seines Bootes herauszureißen.
    Der Kanal war anfangs eng, und die glitzernden, feuchten Wände aus weichem, grünlichem Stein schienen sich von beiden Seiten an sie heranzudrücken. Aber allmählich wichen die Wände immer weiter zurück und schälten sich schließlich völlig ab, als das Wasser die beiden Barkassen in eine große, gewölbte unterirdische Kammer trug. Die Höhle war so groß wie ein Raumhafen, ihre Decke verschwand oben im Halbdunkel. Bald verschwanden auch die Wände in der Dunkelheit, und die Barkassen bewegten sich in zwei kleinen Lichtblasen über die leicht bewegte Oberfläche eines kalten, schwarzen Sees.
    Dann nahmen vor ihnen die Wände wieder Gestalt an. Aber dieses Mal gab es anstatt eines Durchlasses viele. Der Bach hatte nur einen Eingang, aber ein gutes halbes Dutzend Ausgänge hineingeschnitten.
    Kabaraijian jedoch kannte die Höhle. Ohne zu zögern lenkte er sein Boot in den größten Durchlaß auf der äußersten rechten Seite. Cochran folgte in seinem Kielwasser. Hier strömte das Wasser eine Schräge hinunter, und die Boote nahmen wieder Fahrt auf. „Sei vorsichtig“, warnte Kabaraijian Cochran an einer Stelle. „Die Decke wölbt sich hier weit herunter.“ Cochran bestätigte den Ruf mit einem Winken.
    Die Warnung kam gerade noch rechtzeitig. Während die Wände zunehmend auseinandergerückt waren, bewegte sich das steinerne Dach über ihnen ständig näher, was die Illusion erweckte, das Wasser würde ansteigen. Kabaraijian wußte noch, wie er beim erstenmal geschwitzt hatte, als er diesen Durchlaß genommen hatte; das Boot war zu schnell gewesen, und er hatte befürchtet, von der Decke eingeklemmt und vom steigenden Wasser überwältigt zu werden.
    Aber es war eine überflüssige Angst gewesen. Die Decke senkte sich weit genug herunter, um ihre Köpfe zu streifen, aber nicht weiter. Und dann begann sie wieder zu einer beruhigenden Höhe anzusteigen. Mittlerweile weitete sich der Kanal noch mehr, und vor beiden Wänden erschienen weiche Sandbänke.
    Schließlich folgte eine Abzweigung in dem Durchlaß, und dieses Mal wählte Kabaraijian den Weg linker Hand. Er

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