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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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war klein und dunkel und eng, mit kaum genug Platz, damit sich die Barkasse hindurchzwängen konnte. Aber er war auch kurz, und nach einer kurzen Fahrt entließ er sie in eine zweite große Höhle hinaus.
    Sie durchquerten die Halle schnell und glitten unter einem grotesken Steinbogen hindurch in ihre Zwillingsschwester. Dann kamen noch eine gewundene Passage und weitere Gabelungen und Biegungen. Kabaraijian führte gelassen und überlegte kaum, brauchte kaum zu überlegen.
    Dies waren seine Höhlen; dieser spezielle Abschnitt in den Tiefen des Berges war seine Domäne, hier hatte er monatelang gearbeitet und geschürft. Er wußte, wohin er fuhr. Und schließlich erreichte er sein Ziel.
    Der Raum war groß und unheimlich. Hoch über dem seichten Wasser war die Decke von der Erosion durchfressen worden, und Licht strömte durch drei große Löcher im Fels herein. Es wurde von den blaßgrünen Wänden und dem weiten, seichten Wasserbecken reflektiert und verlieh der Höhle ein schwaches, grünliches Leuchten.
    Die Barkassen stürzten aus einem dünnen Riß in der Höhlenwand herein, von Schwallen kalten, schwarzen Wassers getragen. Das Wasser wurde grün, sobald das Licht darauf traf, und wirbelte und wurde warm und träge. Die Boote wurden ebenfalls langsamer und glitten gemächlich durch den riesigen Raum auf die weißen Sandstrände zu, die die Seiten säumten.
    Kabaraijian lenkte seine Barkasse an einen solchen Strand heran und sprang in das seichte Wasser hinaus, um sie auf den Sand hochzuziehen. Cochran folgte seinem Beispiel, und als die beiden Boote sicher an Land lagen, standen sie Seite an Seite da.
    „Jau“, sagte Cochran, und blickte sich um. „Es ist hübsch. Und es macht etwas her. Ich überlaß’ es dir, einen hübschen Platz zum Arbeiten zu finden, während wir anderen bis zu den Knöcheln im Wasser stehen und die Lampen halten.“
    Kabaraijian lächelte. „Ich habe die Höhle hier gestern entdeckt“, sagte er. „Völlig unberührt. Sieh mal.“ Er zeigte auf die Wand. „Ich habe kaum angefangen.“ Es gab einen Haufen loser Steine in einem groben Halbkreis um den Bereich herum, den er bearbeitet hatte, und in dem Fels fehlte ein großer Bissen. Aber der Großteil der Wand war unberührt und erstreckte sich in schimmernder Fläche von ihnen fort.
    „Bist du sicher, daß niemand sonst von dieser Höhle weiß?“ fragte Cochran.
    „Einigermaßen. Warum?“
    Cochran zuckte mit den Schultern. „Als wir die Höhlen passiert haben, hätte ich schwören können, daß ich irgendwo hinter uns eine andere Barkasse gehört habe.“
    „Wahrscheinlich Echos“, vermutete Kabaraijian. Er sah zu seiner Barkasse hinüber. „Jedenfalls wird es besser sein, wir fangen gleich an.“ Er schlug auf seinen Leichenregler, und die drei reglosen Gestalten im Boot fingen an, sich zu bewegen.
    Er stand bewegungslos auf dem Sand und sah ihnen zu. Und während er zusah, beobachtete er irgendwo in seinem Hinterkopf auch sich selbst – mit ihren Augen. Sie erhoben sich steif, und zwei von ihnen kletterten auf den Sand heraus. Der dritte ging zu der Kiste im Vorderteil der Barkasse und machte sich daran, die Ausrüstung auszuladen: Vibro-Bohrer und Spitzhacken und Schaufeln. Vollbeladen kletterte er heraus und gesellte sich zu den anderen.
    Natürlich bewegte sich keiner von ihnen wirklich. Das war alles Kabaraijian. Es war Kabaraijian, der ihre Beine bewegte und ihre Hände zupacken und ihre Arme sich ausstrecken ließ. Es war Kabaraijian, es waren seine Befehle, vom Regler aufgenommen und vom Kunsthirn verstärkt, die Leben in die Körper der toten Männer brachten. Die Kunsthirne hielten die automatischen Funktionen in Gang, aber der Leichenführer war es, der der Leiche ihren Willen gab.
    Es war nicht leicht, und es war bei weitem nicht perfekt. Die zum Führer reflektierten Sinneseindrücke waren selten brauchbar; meistens mußte er seine Leichen beobachten, um zu wissen, was sie taten. Die Bedienung war selten graziös; Leichen bewegten sich langsam und unbeholfen, und eine feine Arbeit ging über ihr Leistungsvermögen. Eine Leiche konnte einen Schlegel schwingen, aber selbst der beste Führer schaffte es nicht, einen toten Mann eine Nadel einfädeln oder ihn sprechen zu lassen.
    Überhaupt – bei einem schlechten Führer konnte sich eine Leiche kaum bewegen. Man brauchte eine gewisse Koordinationsgabe, um einen toten Mann überhaupt zu bewegen, während der Führer selbst irgend etwas anderes tat. Er mußte die

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