Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
dauern. Es sah so aus, als würde ich mein Gleichgewicht nie mehr richtig in den Griff bekommen, und ich stolperte immer wieder. Die Straße war sehr schlecht beleuchtet, und ich konnte kaum sehen, wohin ich ging. Einmal, als ich hinfiel, schabte ich mir ziemlich schlimm die Hände auf. Es war die einzige Verletzung, die ich bei dem ganzen Unfall erlitt.
    Die Lichter gehörten zu einem kleinen Café; ein schäbiger Laden, der einen Teil der verlassenen Landstraße als Landeplatz ausgewiesen hatte. Als ich durch die Tür hineinstolperte, sah ich, daß nur drei Gäste im Innern waren, aber einer von ihnen war ein hiesiger Polizist.
    „Es hat einen Unfall gegeben“, sagte ich von der Tür her. „Jemand muß ihnen helfen.“
    Der Polizist leerte seine Kaffeetasse mit einem Schluck und erhob sich von seinem Stuhl. „Ein Kopter-Zusammenstoß, Mister?“ sagte er. „Wo ist es passiert?“
    Ich schüttelte den Kopf. „N-nein. Nein. Autos. Ein Zusammenstoß, ein Autobahn-Unfall. Draußen, auf der alten Autobahn.“ Ich zeigte unbestimmt in die Richtung, aus der ich gekommen war.
    Auf halbem Weg durch den Gastraum blieb der Polizist plötzlich stehen und runzelte die Stirn. Alle anderen lachten. „Verdammt, seit zwanzig Jahren hat niemand mehr die Straße benutzt, Sie Trunkenbold“, schrie ein dicker Mann aus einer Ecke des Raumes. „Sie hat so viele Schlaglöcher, daß wir sie als Golfplatz benutzen“, fügte er hinzu und lachte lauthals über seinen eigenen Witz.
    Der Polizist sah mich zweifelnd an. „Gehen Sie nach Hause und werden Sie nüchtern, Mister“, sagte er. „Ich will Sie nicht einsperren müssen.“ Er ging wieder zu seinem Stuhl hinüber.
    Ich machte einen Schritt in den Raum hinein. „Verdammt, ich sage die Wahrheit“, sagte ich, jetzt mehr ärgerlich als benommen. „Und ich bin nicht betrunken. Es hat auf der Autobahn einen Zusammenstoß gegeben, und da sitzen Leute fest in …“ Meine Stimme versagte, als mir endlich klarwurde, daß jede Hilfe, die ich bringen konnte, viel zu spät kommen würde.
    Der Polizist sah noch immer skeptisch aus. „Vielleicht sollten Sie es überprüfen“, schlug die Bedienung hinter der Theke vor. „Er könnte ja die Wahrheit sagen. Es gab einen Autobahnunfall letztes Jahr, irgendwo in Ohio. Ich weiß noch, daß ich im 3V einen Bericht darüber gesehen habe.“
    „Ja, schätze, ich auch“, sagte der Polizist endlich. „Gehen wir, Freundchen. Und Sie sagen besser die Wahrheit.“
    Wir gingen schweigend über den Landeplatz und stiegen in den Vier-Mann-Polizeikopter. Als er die Rotoren in Gang setzte, sah mich der Polizist an und sagte: „Wissen Sie, wenn Sie die Wahrheit sagen, dann sollten Sie und der andere Bursche so etwas wie einen Orden bekommen.“
    Ich starrte ihn ausdruckslos an.
    „Was ich meine, ist, daß Sie wahrscheinlich die beiden einzigen Fahrer sind, die diese Straße in den vergangenen zehn Jahren benutzt haben. Und doch schaffen Sie es zusammenzustoßen. Dazu gehört schon einiges, meinen Sie nicht auch?“ Er schüttelte wehmütig den Kopf. „So eine Glanznummer kann nicht jeder abziehen. Wie gesagt, man sollte Ihnen einen Orden verleihen.“
    Die Autobahn war nicht annähernd so weit von dem Café entfernt, wie das ausgesehen hatte, als ich zu Fuß unterwegs gewesen war. Einmal in der Luft, legten wir die Entfernung in weniger als fünf Minuten zurück. Aber da stimmte etwas nicht. Die Autobahn sah aus der Luft irgendwie anders aus.
    Und plötzlich ging mir auf, warum. Sie war dunkler. Viel dunkler. Die meisten Lichter waren aus, und die, die noch brannten, waren schwach und flackerten.
    Während ich benommen dasaß, kam der Kopter mit einem Ruck im Zentrum eines Rings aus kränklich gelbem Licht, das von einer der schwächer werdenden Lampen ausgestreut wurde, herunter. Ich kletterte wie betäubt heraus und stolperte, als ich versehentlich in eines der Schlaglöcher trat, die die Straße pockennarbig machten. Da gab es einen verfilzten Haufen Unkraut, das in dem Schlagloch wucherte, und noch eine Menge mehr wurzelte in dem gezackten Netz von Rissen, das quer über die Autobahn verlief.
    In meinem Schädel begann es zu hämmern. Das ergab keinen Sinn. Nichts davon ergab einen Sinn. Ich hatte keine Ahnung, was, zum Teufel, hier vorging.
    Der Polizist kam um die andere Seite des Kopters herum; den Ledergurt des tragbaren Med-Sensors über eine Schulter gelegt. „Packen wir’s an“, sagte er. „Wo ist Ihr Unfall passiert?“
    „Die

Weitere Kostenlose Bücher