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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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ihre Schwierigkeiten hat.
    „Schön“, sagte Gourlay. „Dino hat Ihnen ein Luftauto zur Verfügung stellen lassen. Fragen Sie im Foyer danach. Dort wird man Ihnen auch die Schlüssel geben, damit Sie auf direktem Weg hier herauf ins Büro kommen und nicht jedesmal den Umweg über die Sekretariate und all das machen müssen.“
    „Danke“, sagte ich. „Wir sprechen uns dann später.“ Ich schaltete den Bildschirm aus und ging ins Schlafzimmer zurück.
    Lya hatte sich aufgesetzt, die Decken um sich herumgewickelt. Ich setzte mich neben sie und gab ihr einen Kuß. Sie lächelte, aber sie erwiderte ihn nicht. „Hey“, sagte ich. „Was ist denn los?“
    „Kopfweh“, antwortete sie. „Ich hab’ gedacht, diese Ernüchterungspillen ersparen einem den Kater.“
    „Theoretisch schon. Meine haben prima geholfen.“ Ich ging zum Schrank und suchte mir etwas zum Anziehen heraus. „Eigentlich sollten hier irgendwo Kopfschmerztabletten herumliegen. Ich bin sicher, Dino würde so etwas nie vergessen.“
    „Hrngh. Ja. Wirf mir meine Kleider herüber.“
    Ich zog einen ihrer Overalls heraus und wirbelte ihn zu ihr hinüber. Lya stand auf und schlüpfte hinein, während ich mich ebenfalls anzog, dann verschwand sie im Badezimmer.
    „Schon viel besser“, sagte sie. „Du hast recht gehabt, er hat die Medikamente nicht vergessen.“
    „Er gehört zur gründlichen Sorte.“
    Sie lächelte. „Sieht so aus. Obwohl – Laune beherrscht die Sprache besser. Ich hab’ sie gelesen. Dino hat gestern abend beim Übersetzen eine Menge Fehler gemacht.“
    Ich hatte mir etwas Ähnliches schon gedacht. Für Valcarenghi keine Schande, denn schließlich hatte Laurie nach alldem, was sie gesagt hatten, vier Monate Vorsprung. Ich nickte. „Sonst noch etwas gelesen?“
    „Nein. Ich habe versucht, diese Redner zu erreichen, aber die Entfernung war zu groß.“ Sie kam zu mir herüber und nahm meine Hand. „Wohin gehen wir heute?“
    „Shkeen-Stadt“, sagte ich. „Versuchen wir, einen dieser Gebundenen aufzutreiben. Ich hab’ bei der Versammlung keinen einzigen gesehen.“
    „Nein. Die Versammlungen sind ja für die Shkeen, die kurz vor der Bindung stehen.“
    „Das hab’ ich auch begriffen. Gehen wir.“
    Wir gingen. Im vierten Stock hielten wir an, um in der Turm-Caféteria noch ein spätes Frühstück einzunehmen, dann brachte uns ein Mann vom Foyer zu unserem Luftauto. Ein sportlicher grüner Viersitzer, sehr praktisch, sehr unauffällig.
    Ich bin mit dem Luftauto nicht bis in die Shkeen-Stadt geflogen, weil ich der Ansicht war, daß wir für diese Welt ein wesentlich besseres Gespür bekommen würden, wenn wir uns zu Fuß bewegten. Deshalb ging ich gleich hinter den ersten Hügeln hinunter, und wir marschierten los.
    Die Stadt der Menschen hatte beinahe wie ausgestorben ausgesehen, aber die Shkeen-Stadt lebte. Die Schotterstraßen waren voller Fremdwesen, die mit Ziegeln, Obstkörben oder Stoffballen beladen – geschäftig hierhin und dorthin eilten. Überall waren Kinder, die meisten nackt; dicke, kleine, orangenfarbige Energiebündel, die uns begeistert einkreisten und pfiffen und schnauften und lächelten und uns immer wieder an den Kleidern zupften. Die Kinder sahen anders aus als die Erwachsenen. Zum einen hatten sie einige spärliche Fleckchen rötlicher Haare, und dann war ihre Haut natürlich noch glatt und faltenlos. Sie waren die einzigen, die uns eine gewisse Beachtung schenkten. Die erwachsenen Shkeen gingen weiterhin ihren Beschäftigungen nach und schenkten uns ein gelegentliches freundliches Lächeln. Menschliche Besucher waren in den Straßen der Shkeen-Stadt offenbar gar nicht so ungewöhnlich.
    Der Verkehr bestand im wesentlichen aus Fußgängern, aber ein paar Holz-Karren waren ebenfalls vertreten. Die Zugtiere der Shkeen sahen wie große, grüne Hunde aus, die kurz vor dem Zusammenbruch standen. Sie waren paarweise vor die Karren gespannt, und sie winselten bei jedem Schritt. Deshalb wurden sie verständlicherweise Winsler genannt. Zusätzlich zu ihrem Gewinsel setzten sie aber auch noch ziemlich ununterbrochen Kot ab. Das in Verbindung mit dem Geruch der in Körben feilgebotenen Lebensmittel sowie den Ausdünstungen der Shkeen verlieh der Stadt ein recht kräftiges Aroma.
    Es gab auch Lärm; ein ununterbrochenes, lebhaftes Treiben. Kinder pfiffen, ältere Shkeen unterhielten sich lautstark mit Grunzern und Seufzern und Schnalzern, die Winsler winselten, die Karren ratterten über die Steine. Lya und

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