Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Schlafzimmer war es noch dunkel, es musste vor dem Morgengrauen sein, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Megan trug den Kapuzenpullover, den sie zum Schwimmtraining immer anzog. Ihr Haar hatte sie zu einem eingeschlagenen Pferdeschwanz gebunden, die Haarenden waren steif vom Chlor vom letzten Schwimmtraining.
»Mom, Abby ist hier. In meinem Bett!«
»Ja, ich weiß, mein Schatz.« Jill erhob sich langsam. Der Wecker zeigte 5.15 Uhr. »So früh habe ich dich gar nicht erwartet. Habt ihr schon Training?«
»Ja, eine Morgeneinheit. Ich wollte meine Sachen holen, aber Abby liegt in meinem Bett. Was macht sie hier?«
»Jetzt bleib mal ruhig und lass mich erklären.« Jill war klar, dass sie Megan von Williams Tod erzählen musste.
»Warum ist sie hier? Ich muss dringend in mein Zimmer. Courtneys Mutter holt mich in zwanzig Minuten ab. Aber Abby schläft tief und fest in meinem Bett und trägt mein Nachthemd!«
»Beruhige dich, bitte.« Jill atmete tief ein. Beef stellte sich im Bett auf, und auch Sam begann sich zu rühren. Megan sah zu ihm hinüber.
»Sam, hi. Hast du Abby gesehen, meine Stiefschwester? Sie liegt in meinem Nachthemd in meinem Bett.«
»Ja, ich habe sie gesehen.« Sams Lächeln war nicht besonders fröhlich. Er wusste, was jetzt kommen musste.
»Megan, setz dich bitte. Ich muss mit dir sprechen.« Jill schlug aufs Bett neben sich. Beef wedelte so stark mit dem Schwanz, dass sein gesamtes Hinterteil wackelte.
»Was ist los? Warum ist Abby hier?« Megan setzte sich, tätschelte Beef den Kopf und legte ihr Handy beiseite. »Du machst mir Angst, Mom. Warum muss ich mich hinsetzen? Ist sie vielleicht krank?«
»Nein. Aber es gibt schlechte Nachrichten von William.« Jill bereitete sich darauf vor, Megans Herz zu brechen. Mutter sein war nichts für schwache Gemüter. Sie legte den Arm um die Schulter ihrer Tochter. »Schatz, Abby ist hergekommen, weil William vor ein paar Tagen gestorben ist.«
Megan stockte der Atem. »O Gott«, sagte sie, dann schwieg sie einen Moment.
»Es tut mir so leid.« Jill nahm sie in die Arme. Aus Megans Körper wich jede Anspannung. Die Tränen hielt sie zurück, aber ihre Lippen waren fest aufeinandergepresst. Jill litt mit ihr. »Es tut mir so leid, mein Schatz.«
»Das ist ja schrecklich.«
»Ich weiß.«
»Und das ist wirklich wahr? Bist du sicher?«
»Ja.« Jill umarmte sie erneut und strich ihr sanft übers Haar, das nach Vanille-Öl und Haarspülung mit Erdbeerduft roch. »Er hatte einen Herzinfarkt. Wahrscheinlich wegen Medikamenten, die er genommen hat.«
Megans Augen standen voller Tränen. »Hatte er eine Allergie auf irgendetwas?«
»Nein. Er hat verschreibungspflichtige Tabletten zusammen mit Alkohol eingenommen.«
»Was? Er hat nur ein Glas Alkohol dazu getrunken, und dann war er tot?« Megans Unterlippe zitterte.
»Ja.«
»Kann so etwas wirklich passieren?«
»Ja, das kann es.« Abbys Verdacht verschwieg sie. Hätte Megan davon erfahren, hätte sie die Wahrheit noch mehr mitgenommen. Beef ließ sich vor Megan nieder und presste den Kopf gegen ihr Bein, als wollte er sie trösten.
»Das ist so gemein.« Megans Handy piepte. Eine SMS , doch sie bemerkte sie nicht. Ein Zeichen für Jill, wie sehr Williams Tod ihre Tochter berührte.
»Soll ich nicht besser Stash anrufen und ihm sagen, was passiert ist? Auch als Trainer wird er sicherlich verstehen, wenn du nicht zum Training kommst.«
»Mom, das geht nicht.« Megan schüttelte den Kopf. »Ich bin Mannschaftsführerin und kann mein Team nicht im Stich lassen. Stash rechnet mit mir, alle rechnen mit mir. Dieses Wochenende findet der Qualifikationswettkampf statt. Hast du das vergessen?«
»Trotzdem: Er wird es verstehen. Schließlich ist jemand gestorben.«
»Nein, ich kann nicht«, entgegnete Megan mit zitternder Stimme. »Ich muss gehen. Wir haben Glück, dass wir heute im Becken der Highschool trainieren können. Deshalb wollen wir heute auch zwei Einheiten machen. Mom, das kann unser Jahr werden.«
Jill spürte, unter welchem Druck Megan stand. Waren ihre Tage schon so verplant, dass sie noch nicht einmal mehr Zeit zum Trauern hatte? »Ich verstehe dich, mein Schatz. Aber das hier ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Bleib zu Hause, damit wir über alles reden können.«
»Du musst doch auch arbeiten gehen. Ich darf nicht fehlen. Ich fehle nie. Mein Team braucht mich.«
»Das hier ist eine Ausnahme. Jeder wird das verstehen.« Jill bemerkte, dass sich das Gespräch in eine
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