Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Courtneys Mutter wartet. Ich muss los.«
»O nein.« Abby erbrach sich jetzt auch in die Toilette. Jill konnte sie unmöglich allein lassen.
»Aber lass es heute Morgen ruhig angehen, Megan. Übernimm dich nicht. Und ruf an, falls wir dich abholen sollen.«
»Das wird sie schon tun!«, rief Sam zurück, und Jill spürte einen Schmerz in der Brust. Megan war also gegangen.
Abby hustete und spuckte. »Kannst du bitte die Tür zumachen? Das ist ja megapeinlich.«
»Mach dir darum mal keine Gedanken und wisch dir lieber den Mund ab.« Jill reichte ihr Toilettenpapier. »Entspann dich, dann kommt auch dein Magen zur Ruhe.«
Abby fuhr sich über den Mund. »Danke.«
»Kommt noch was? Nimm dir Zeit.« Jill rieb ihr den Rücken. »Es muss alles raus.«
Abby lächelte und warf das Klopapier in die Toilette. »Ich glaube, ich bin fertig.«
»Gut. Dann lass dir jetzt helfen.« Jill half Abby auf, drückte auf die Spülung und schloss den Klodeckel. »Setz dich hier drauf, bis es dir wieder besser geht.«
Abby folgte Jills Rat und stützte den Kopf auf die Hände. »Jetzt habe ich das Nachthemd ruiniert. Hilfst du mir beim Ausziehen? Es stinkt ganz fürchterlich.«
»Okay, Hände hoch.«
Abby streckte die Arme nach oben, und Jill streifte ihr Nachthemd ab und warf es zu den verschmutzten Handtüchern auf den Boden. Dann reichte sie ihr Megans Bademantel. »Damit du nicht frierst.«
»Ich bin keine, die normalerweise so viel trinkt. Das schwöre ich. Wenn es so wäre, wäre mir jetzt nicht so übel.«
»Ich weiß, mein Schatz. Jetzt wasch dich erst mal, und dann bin ich gleich wieder da.«
»Okay.«
Jill ging ins Schlafzimmer, wo Sam gerade dabei war, die Bettdecke abzuziehen. »Hat Megan geweint, als sie ging?«
»Nein, sie war okay. Ich habe sie zum Abschied umarmt. Sollen wir die Decke nicht lieber wegwerfen und eine neue kaufen?«
»Nein, Megan mag sie so. Ich werde sie in die Waschmaschine stecken.«
»Lass mich das machen. Sandy hat übrigens schon zurückgemailt. Sie kann Abby nächste Woche jederzeit dazwischenschieben.«
»Jill!«, meldete sich eine Stimme wieder aus dem Badezimmer. »Schnell!«
»Das ist wunderbar, Sam.« Und schon war sie wieder auf dem Weg zu Abby.
7
»Na, wie geht’s denn unserem kleinen Mann?« Jill lächelte Rahul Choudhury zu. Sie sollte den süßen Einjährigen untersuchen. Den Morgen über hatte sie verschiedene Erkältungen, Grippeerkrankungen und Nebenhöhlenentzündungen behandelt, aber Abby und Megan waren ihr nicht aus dem Kopf gegangen. Eine Mutter ist nur so glücklich wie ihre Kinder, sagte man nicht so? Eine Weisheit, die anscheinend auch auf Stief- und ehemalige Stiefmütter zutraf.
»Er ist so ein gutes Baby«, sagte Rahuls Mutter Padma, während sie ihr Kind in den Behandlungsstuhl setzte. Sie war hübsch und hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Heute trug sie einen blauen Pullover, eine Khakihose und Clogs. Jill war normalerweise ähnlich angezogen, aber wegen der Trauerfeier hatte sie heute ein dunkles Kostüm aus Jersey gewählt. Wie die meisten Kinderärzte trug sie auch sonst keinen Arztkittel, weil es die Kinder zu sehr an Krankenhaus denken ließ.
»Du bist aber ein lieber Junge, Rahul.« Jill hörte mit dem Stethoskop seinen Körper ab. Der Kleine ließ das medizinische Gerät dabei nicht aus dem Auge, schließlich schlug er danach und umfasste mit seiner kleinen Faust den schwarzen Schlauch. Jill blickte in Rahuls dunkle runde Augen. »Du bist ganz schön kräftig für dein Alter. Machst du etwa schon Sport?«
Padma lächelte. »Er hasst es, krank zu sein. Zudem habe ich dann noch nicht einmal Zeit, mich richtig um ihn zu kümmern.«
»Ich verstehe, was Sie meinen.« Jill kitzelte Rahul am Fuß, der zu kichern und sabbern begann. »Wie einfach es ist, ein Baby zum Lachen zu bringen. Vielleicht sollte ich es mal mit Comedy für Kleinkinder versuchen.«
Padma schmunzelte. »Alle meine Jungs sind Fans von Ihnen. Roy findet es immer toll, wenn Sie ihn fragen, ob Sie überprüfen dürfen, dass er sein Herz auch dabeihat.«
Der Scherz gehörte zu Jills Untersuchungsprogramm. Als Erstes musste sie das Interesse der kleinen Patienten wecken, um dann einen Eindruck von ihrem Zustand bekommen zu können. Der von Rahul war nicht gut. »Seit wann ist er krank?«
»Seit Donnerstag. Wieder eine Ohrenentzündung. Gestern habe ich spät in der Nacht mit meiner Mutter in Mumbai telefoniert, der es nicht besonders gut geht. Anschließend habe ich nach Rahul
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