Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Lexus stand in der Einfahrt, also musste er zu Hause sein.
»Schatz?«, rief sie. Sam kam barfuß aus dem Wohnzimmer und rieb sich müde die Augen. In seinen ausgebeulten Jeans und dem T-Shirt sah er aus wie ein zufriedener Hausmann. Er klemmte sein Buch unter den Arm, nahm Jill die Einkaufstaschen ab und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
»Wie geht’s meinem Schatz?«
»Gut.«
»Und Abby?«
»Auch.« Die Geschichte mit der Apotheke hob sie sich für später auf. »Und was gibt’s bei dir Neues?«
»Nicht viel. Lee geht es gut, er lässt dich grüßen. Und die Decke hab ich auch gewaschen, Megan wird sich freuen.«
»War unappetitlich, oder?«
»Na ja. Wusstest du eigentlich, dass es in Waschsalons jetzt auch Videospiele gibt? Allerdings stammen sie aus dem letzten Jahrtausend.« Sam stellte die Taschen in der Küche ab. »Und bevor ich es vergesse: Katie hat angerufen. Sie hat dir auch auf die Mailbox gesprochen.«
Katie Feehan war Jills beste Freundin und wohnte mit ihrem Mann Paul und ihren drei Söhnen ganz in der Nähe. »Hat sie gesagt, was sie wollte?«
»Sie braucht deine Hilfe. Ich glaube, es ging um irgendein Kochrezept.«
»Aha.« Jill lächelte. Katie war zwar eine wunderbare Freundin, aber keine begnadete Köchin.
»Sind noch mehr Taschen im Auto?«
»Nein. Nur noch eine Kiste mit Papieren und einem Laptop.«
»Einem Laptop?«
»Williams Laptop. Abby will auf jeden Fall in seinem Haus wohnen bleiben, und ich werde ihr jetzt dabei helfen, die anfallenden Kosten zu berechnen.«
»Und womit will sie bezahlen?«
»Keine Sorge, sie hat mehr Geld als wir. William hatte anscheinend das ganz große Los gezogen.« Jill suchte in ihren Einkäufen nach der Eiscreme, um sie ins Tiefkühlfach zu legen. »Und stell dir vor, Abby will eine Therapie machen.«
»Das ist eine gute Nachricht.« Sam lächelte erleichtert. »Ich rufe Sandy an und mache einen Termin aus. Wo steckt Megan?«
»Bei Courtney. Wegen der Englischarbeit.« Jill verstaute das Gemüse im Kühlschrank. »Sagt sie zumindest.«
»Dass sie gerade jetzt, nach der Nacht mit Abby, mit Courtney zusammen sein will, verstehe ich.«
»Du meinst, wegen der Decke? Aber Abby konnte doch nichts dafür, ihr ging es schlecht.«
»Nicht nur deswegen. Aber die Art und Weise, mit der sie plötzlich wieder in dein Leben hereingeplatzt ist und jetzt deine ganze Zeit in Anspruch nimmt, gefällt mir nicht. Nimm nur mal den heutigen Abend.«
Jill sah ihn überrascht an. »Übertreibst du nicht ein bisschen? Ich war allein, sie war allein, also habe ich sie besucht. Ich habe ihr auch vorgeschlagen, ein paar Tage bei uns zu wohnen, aber Victoria, Abbys ältere Schwester, hat es ihr ausgeredet.«
»Was meinst du mit ›ein paar Tagen‹?«
»Ist doch egal. Sie könnte bei uns Kräfte sammeln und mit Megan zusammen sein. So wie früher.«
»Aber sie arbeitet doch?«
»Sie hat gekündigt.«
»Ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist.«
»Warum?«
»Damit werden Tatsachen geschaffen.« Sams Augen blitzten kurz hinter der Brille auf. »Außerdem möchte ich dabei auch ein Wörtchen mitreden. Und Megan solltest du auch fragen.«
Jill verstand nicht, was Sam meinte. »Megan und Abby waren wie Schwestern. Megan würde sich bestimmt freuen.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst.«
»Ich täusche mich nicht. Für Megan ist Abby ein Teil ihrer Familie.«
»Und was ist mit mir? Zu meiner Familie gehört Abby jedenfalls nicht. Ich kenne sie nicht, und Steven hat sie nie gesehen.«
Jill spürte einen Stich im Herz. Einerseits hatte Sam recht, andererseits wollte sie nicht akzeptieren, was er da sagte. »Abby ist ein tolles Mädchen. Gib ihr eine Chance.«
»Darf ich ehrlich sein, oder beißt du mir dann gleich den Kopf ab?«
»Sei ehrlich.«
»In deinem Kopf ist immer noch die Abby präsent, die du großgezogen hast, nicht die, die ich gestern kennengelernt habe. Die betrunken Auto fährt, unhöflich ist und einfach Megans Zimmer in Beschlag nimmt. Ist das noch deine Abby von damals?«
»Aber ihr Vater ist gerade gestorben. Es wäre unfair, in einer solch schwierigen Zeit ein Urteil über sie zu fällen.«
»Ich halte es trotzdem für wahrscheinlich, dass sie sich verändert hat. Sie ist ohne dich oder einen anderen Mutterersatz erwachsen geworden. Es scheint, als hätte ihr das nicht unbedingt gutgetan.«
Schuldgefühle stiegen in Jill auf. »Aber du hast nur zehn Minuten mit ihr geredet. Wie kannst du da jemanden beurteilen?«
»Ich
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