Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
liebe ich nicht. Es tut mir leid, aber ich will kein neues Kind mehr. Die Zeiten sind vorbei.«
Sam wich keinen Zentimeter von seiner Meinung ab. Jill wurde traurig und gleichzeitig wütend. Wenn sie Abby zurückhaben wollte, musste sie streiten. Und zwar mit Sam.
»Ich bin älter als du und sehe schon Licht am Ende des Tunnels. Steven steht auf eigenen Füßen, und Megan wird schneller, als du denkst, aufs College gehen. Ich freue mich auf die Zeit, wenn wir beide allein sind. Keine Schwimmwettkämpfe mehr, die wir zusammen besuchen müssen.«
»Ich bin da ganz anders.« Jill wirkte niedergeschlagen. »Wie schnell Megan groß geworden ist. Ich werde sehr traurig sein, wenn sie das Haus verlässt. Ich möchte Mutter sein, ein Leben lang.«
»Uns beiden wird es auch allein gut gehen. Das verspreche ich dir.«
»So habe ich dich noch nie sprechen hören.« Jill war verletzt.
»Es ist bisher auch nicht nötig gewesen.«
»Bist du unglücklich?«
»Nein, ich bin glücklich und will es auch bleiben. Bevor Abby hier aufgetaucht ist, war alles wunderbar.« Sam lächelte und versuchte ihren Arm zu berühren, aber Jill zog ihn zurück.
»Ich werde jetzt bei Katie vorbeischauen. Ich bin noch nicht müde, und vielleicht braucht sie mich noch.«
»Im Ernst?« Sam war enttäuscht. Er verzog den Mund.
»Du weißt, dass sie mal wieder zu kochen versucht.«
»Na gut.« Sam rang sich ein Lächeln ab. »Dann bewahr sie davor, das Haus abzufackeln.«
»Genau.« Jill griff nach ihrer Handtasche und küsste Sam flüchtig auf die Wange. »In einer Stunde bin ich bestimmt wieder da.«
»Fahr vorsichtig!«
»Ich liebe dich!«, rief Jill zurück. Erst als sie zur Haustür kam, fiel ihr auf, dass sie Sam nichts von der Apotheke und dem schwarzen SUV erzählt hatte. Aber wahrscheinlich hätte er davon in der Situation auch nichts wissen wollen.
15
»Hier riecht’s aber gut.« Jill folgte Katie in die Küche, in der es drunter und drüber ging. Die Schneidebretter versanken in einer Mehlwolke, ein Berg geriebener Kartoffeln, der wegzurollen drohte, sowie eine Batterie bereits aufgeschlagener Eierschalen, gehackte Zwiebeln und eine riesige Schüssel mit Teig hinterließen den Eindruck von chaotischer Betriebsamkeit.
»Paul ist mit den Jungs zum Essen.« Katie eilte zum Herd, ihr blonder Pferdeschwanz wippte. Wie Jill trug sie die Uni form der Vorstadt-Moms: einen dünnen Baumwollpulli, eine Caprihose und Clogs. »Heute hätte ich sie wirklich umbringen können.«
»Warum?«, fragte Jill, auch wenn sie wusste, dass Katie nur einen Scherz machte. Die beiden waren seit der Uni befreundet, Katie war Lehrerin geworden, jetzt aber nur noch Vollzeitmutter von drei Söhnen, der älteste war zwölf Jahre alt. Mit Humor, Liebe und einer Knute in der Hand gelang es ihr normalerweise immer, die drei zu zähmen. Das waren zumindest ihre Worte.
»Robbie hat mir vor einer Stunde erzählt, dass am Montag Info-Tag an der Schule ist. Wo wir doch morgen den ganzen Tag weg sind.« Katie verdrehte ihre großen Augen, die blau wie Kornblumen waren. Sie hatte eine Stupsnase mit Sommersprossen und ein gewinnendes Lächeln, sie war eine rundum hübsche Frau. »Wir helfen meiner Schwiegermutter beim Umzug. Sie zieht in so eine Stadt nur für Senioren. Das wird garantiert eine schweißtreibende Angelegenheit.«
»Ach, du Schande.« Jill stellte ihre Handtasche ab und ging zum Herd, der eine wohlige Wärme ausstrahlte. Nach dem Gespräch mit Sam begann sie sich allmählich wieder zu entspannen. Sie war froh, eine Freundin wie Katie zu haben.
»Willst du einen Kaffee? Oder ein Wasser? Oder eine Margarita? Ist alles da.«
»Nein, danke. Was machst du da eigentlich? Es riecht großartig.«
»Irische Kartoffelpfannkuchen.«
»Klingt anspruchsvoll.«
»Und ist die Hölle.« Katie wendete einen Pfannkuchen. »Jedes Kind muss am Montag ein Originalgericht des Landes mitbringen, aus dem seine Familie stammt. Und zwar ein selbstgemachtes, kein abgepacktes aus dem Supermarkt.«
»Oje.«
»Genau. In welchen Zeiten leben wir eigentlich? Nicht jede Mutter steht heute den ganzen Tag hinterm Herd und kocht. Aber das ist der Schule egal. Als Nächstes muss ich wahrscheinlich das Schuldach mit Stroh decken. Das wirklich Gemeine daran ist allerdings, dass diese bescheuerte Idee auf meinem Mist gewachsen ist, als ich noch Lehrerin war.«
Jill lächelte. »Okay, wie kann ich dir helfen?«
»Indem du mir Gesellschaft leistest. Ich wollte dich nach einem alten
Weitere Kostenlose Bücher