Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Mutter drückte ihrem Baby einen Kuss auf die Wange und verließ die Apotheke.
»Ich müsste einen Blick in Ihr Rezeptbuch werfen.« Jill sah den Verkäufer an.
Der junge Mann lächelte verschmitzt. »Und Sie sind tatsächlich Ärztin?«
»Ja. Und jetzt das Buch, bitte.« Jill legte eine Zwanzigdollarnote auf die Theke, der Verkäufer ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden und präsentierte Jill eine rote Heftmappe aus Plastik.
»Nur für Sie.«
»Danke.« Jill blätterte die Mappe durch. Als sie sich dem Zwölften näherte, wurden ihre Bewegungen langsamer. Aufmerksam las sie jeden Kundennamen und sah sich alle Unterschriften an. Sein Name sprang ihr ins Gesicht: William Skyler. Er hatte am zwölften April drei Minuten nach Mitternacht drei Rezepte eingelöst. Die Unterschrift war so schlampig, dass Jill nicht sagen konnte, ob sie echt oder gefälscht war. William schrieb normalerweise anders, aber wenn er in Eile gewesen war, war alles möglich.
»Zufrieden?«, fragte der Verkäufer.
»Sie haben vorn und hier hinten eine Überwachungskamera, stimmt’s?«
»Warum?«
»Ich müsste einen Blick auf die Bänder werfen. Ich gebe Ihnen dafür auch fünfzig Dollar.«
»Sie sind mir ja eine! Aber gut, treffen wir uns vorn bei den Getränken. Dort ist auch das Büro.«
Jill wartete vor der Tür. Fünf Minuten später und fünfzig Dollar ärmer befand sie sich mit dem jungen Mann in einem stickigen, verdreckten Büro, das vollgestopft mit Schachteln war. Ein Videogerät stand auf einem unlackierten Sperrholzregal, ein kleiner Monitor hing darüber. Der Verkäufer startete mit der Fernbedienung den schnellen Rücklauf. Die Kunden huschten auf dem Bildschirm vorbei. Jill hoffte, unter ihnen William zu entdecken, damit Abby ihre Mordtheorie endlich begraben musste.
»Noch weiter zurück?«, fragte der Verkäufer.
»Ja, bis zum Zwölften.«
»Sie sind wirklich ein Glückskind, Frau Doktor. Das Band speichert genau eine Woche, dann wird alles wieder gelöscht.«
Der Verkäufer verlangsamte die Bandgeschwindigkeit, die Uhr der Überwachungskamera sprang von zwei auf eins. Eine hübsche Frau war zu sehen. »Ist das die Apothekerin?«
»Nein, das ist Trisha. So spät in der Nacht macht bei uns keine Apothekerin mehr Dienst. Da müssen Sie in die Apotheke drei Blocks weiter gehen. Ich halte das Band jetzt mal an. Ist das der Kerl, nach dem Sie suchen?«
Jill betrachtete das eingefrorene Bild. Es war grobkör nig. War das William? Das Gesicht des Mannes wurde zum Großteil von einer Fliegersonnenbrille verdeckt, eine schwarze Baseballkappe verbarg Haar und Stirn. Die Person trug eine unauffällige Windjacke, war groß und breitschultrig wie William, aber auch wie Millionen anderer Männer. Jill zeigte auf den Bildschirm. »Ich verstehe das nicht. Wie können Sie jemandem Betäubungsmittel geben, dem Sie nicht mal ins Gesicht sehen können. Dieser Mann ist doch hundertprozentig verkleidet.«
»Sie müssten mal die Typen sehen, die normalerweise hier reinmarschieren, Doc. Dagegen ist der noch ein Gentleman.«
»Können Sie das Band noch einmal langsam vor- und zurücklaufen lassen?«
»Klar.« Der Mann mit der schwarzen Kappe bewegte sich in Zeitlupe zur Theke hin und entfernte sich wieder von ihr. Er schien nicht mehr zu sagen als unbedingt notwendig, den Kopf hielt er die ganze Zeit über gesenkt. Kein Wunder, dass Trisha William auf Abbys Foto nicht wiedererkannt hatte.
Überhaupt: Wenn William Betäubungsmittel brauchte, hätte er sie sich problemlos über die Vertreter der Pharmazieunternehmen besorgen können, die er noch von früher kannte. Deshalb war der Mann mit der schwarzen Mütze vielleicht gar nicht William, sondern der Mann, der einen schwarzen SUV fuhr, dessen Nummernschild mit einem T begann und dessen linker Scheinwerfer kaputt war, was er selbst aber bisher noch nicht bemerkt hatte. Oder war es doch William, und er hatte sich aus irgendeinem Grund verkleidet? Verdammt!
»Kundschaft.« Der Verkäufer zeigte zu dem kleinen Fenster in der Tür. »Ich muss.«
»Nur noch eine Sekunde.« Jill holte ihr Blackberry aus der Tasche und machte ein Foto von dem Mann auf dem Monitor. »Danke.«
»Keine Ursache.« Der junge Mann grinste. »Und beehren Sie uns bald wieder.«
14
Jill schleppte zwei Taschen voller Lebensmittel ins Haus, schloss die Eingangstür auf und warf die Schlüssel in eine Schale. Beef begrüßte sie mit lautem Gebell und schnüffelte an den Taschen herum. Sams kastanienbrauner
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