Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
hergestellt.
Jill sah sich die von William gesetzten Lesezeichen im Browser an. Eine ellenlange Liste nur mit Medikamentennamen erschien, und auch sie begann mit Abata. Allem Anschein nach war es Williams Ziel gewesen, ein Experte für die schädlichen Nebenwirkungen von Pharmacen-Produkten zu werden. Außerdem hatte er eine Beziehung zu Nina, die in der Arzneimittelüberwachung eben jener Firma arbeitete, in der Beschwerden über die firmeneigenen Medikamente gesammelt wurden.
Jill spürte, dass sie etwas Wichtigem auf der Spur war. Jeder Medikamentenhersteller war gesetzlich dazu verpflichtet, Beschwerden zu sammeln und zu archivieren. Sollten sich diese als ernst zu nehmend erweisen, mussten sie an die FDA , die staatliche Arzneimittelzulassungsbehörde, weitergeleitet werden. Beschweren konnte sich jeder, aber meistens waren es Ärzte, die sich meldeten. Wahrscheinlich reichte das Pembey-Ärztezentrum wegen Sheryls Angst vor gerichtlichen Klagen überdurchschnittlich viele Beschwerden ein. Jills Gemeinschaftspraxis, in der sie davor gearbeitet hatte, war in der Beziehung nicht so aktiv gewesen. Schließlich konnte man nie sicher sein, ob tatsächlich das Medikament die negative Reaktion ausgelöst hatte, und Meldungen dieser Art waren auch im digitalen Zeitalter noch mit einer Menge Papierkram verbunden.
Jill öffnete das Mail-Programm und staunte. Die Liste der Absender und Empfänger enthielt nur einen einzigen Namen: Neil Straub. Im Betreff der Mails ging es immer um Arzneimittel. William hatte sich also selbst E-Mails zu verschiedenen Medikamenten geschickt. Die letzte E-Mail stammte vom letzten Montag, dem Tag vor Williams Tod. Jill öffnete sie.
In ihr ging es um Memoril, ein Alzheimer-Medikament. Die Mail bestand nur aus folgender Nachricht:
2, insgesamt 4.
Was sollte das bedeuten? Jill öffnete die vorherige Mail, deren Betreffzeile ebenso »Memoril« lautete:
Insgesamt 4 oder 5, zu überprüfen.
Die Mail vor dieser, wieder mit gleicher Betreffzeile, lautete:
1 mehr.
Jill sah die Mails durch. Alle enthielten nur Zahlen. William hatte also etwas gezählt. Aber was? Dann entdeckte sie eine Mail, in der stand:
1 mehr, E besorgt.
E könnte die Abkürzung für einen Namen sein. Sie überprüfte die Daten und die Uhrzeiten, an denen William die Mails losgeschickt hatte. Keine von ihnen war an einem Wochenende gesendet worden.
Gab es eine Verbindung zwischen den Mails und seinen Treffen mit Nina? Sie könnte ihm von den Beschwerden über Memoril erzählt haben, und er hatte sich die Informationen anschließend als Mail zugeschickt. Aber warum?
Jill nippte an dem inzwischen kalten Kaffee. Das Sammeln von Beschwerden über ein Arzneimittel musste sich für William in irgendeiner Weise gelohnt haben. Einer Idee folgend, ging sie die Liste mit allen Ordnern durch. Als sie einen mit dem Namen AKTIEN entdeckte, öffnete sie ihn. Auch dieser Ordner bestand wiederum aus einer langen Liste von Unterordnern: JAHRESBERICHTE , FINANZEN , AKTIENKURSE , DIVIDENDEN , VERKÄUFE , CEO / CFO STATEMENTS , AKQUISE usw.
Sie klickte sich durch die Unterordner, und ihr Ver dacht wurde bestätigt. Alle Informationen bezogen sich ausschließlich auf Pharmacen-Aktien, die frei gehandelt wurden. Da William von Nina wusste, für welche Arzneimittel Beschwerden eingegangen waren, hatte er mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen können, wann ein Medikament zurückgerufen wurde. Solche Rückrufaktionen waren häufiger, als die Öffentlichkeit dachte, und ein Rückruf, mochte er noch so unerheblich sein, konnte den Wert der Aktien der Herstellerfirma erheblich beeinflussen. Gerade in dieser Zeit, wo der Markt so unbeständig war.
Jills Herz begann schneller zu schlagen. Falls William schon vorher gewusst hatte, wann ein wichtiges Medikament zurückgerufen werden sollte, hatte er mit dem Kauf und Verkauf von Pharmacen-Aktien sein kostspieliges Doppelleben mit Häusern und Wohnungen finanzieren können.
Als Nächstes öffnete sie das Excel-Programm, und eine Liste von Tabellen erschien. Die älteste war drei Jahre alt. Jill öffnete die erste, in der nicht gerade geringe Dollarbeträge aufgeführt waren: 20 000 Dollar am 6. Juni, 20 000 Dollar am 22. Juni und noch einmal der gleiche Betrag am 29. Juni.
Jill war verblüfft. Irgendjemand hatte an William horrende Beträge gezahlt. Wahrscheinlich für Insiderinformationen zu Pharmacen-Produkten, die eventuell vom Markt genommen werden sollten. Anscheinend hatte er selbst mit
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