Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
in Yogahosen und Müttern mit Kinderwagen auf ihre Bestellungen wartete.
Ich habe ihn in einem Starbucks kennengelernt.
Ob Nina William in dieser Filiale kennengelernt hatte? Warum nicht? Er hatte eine Affäre mit ihr begonnen und sehr bald bemerkt, dass die Bekanntschaft Gold wert war. Vielleicht hatte er auch immer wieder ganz bewusst diesen Starbucks in der Nähe von Pharmacen in der Hoffnung besucht, ein junges Mädchen kennenzulernen, das bei der Firma arbeitete, und sie dann um den Finger zu wickeln, um wichtige Insiderinformationen aus ihr herauszubekommen.
Die Eingangstür ging auf, aber statt Nina erschienen zwei Pharmacen-Fahrer in blauen Uniformen. Sie unterhielten sich und lachten. Jill sah wieder auf ihre Uhr. Inzwischen war es 10.30 Uhr. Vielleicht konnte Nina ihre Arbeit nicht ohne Weiteres verlassen? Wieder öffnete sich die Tür, und zwei junge weibliche Pharmacen-Angestellte kamen herein. Sie wirkten aufgewühlt, ihre Augen waren verquollen. Kunden und Baristas drehten sich nach ihnen um oder reckten den Hals.
»Ich verstehe das einfach nicht«, sagte die eine, während sie sich hinsetzten. »Es ist so … verrückt.«
Die beiden Fahrer gingen zu ihnen hinüber und fragten: »Was ist los? Gibt es neue Entlassungen?«
»Das nicht«, antwortete die eine Frau und rieb sich die roten Augen. »Eine unserer Mitarbeiterinnen ist ermordet worden. Ihr Mann hat sie erschossen und anschließend sich selbst getötet.«
Jill war geschockt.
»Schrecklich«, sagte einer der Fahrer und nahm seine Mütze vom Kopf. »Wart ihr mit ihr befreundet?«
»Ja. Sie war ein toller Mensch. Nina war einfach die Beste.«
»Aber das darf nicht sein«, platzte es aus Jill heraus. Sie erhob sich mit weichen Knien.
»Alles in Ordnung, Miss?«, fragte einer der Fahrer.
»Das kann nicht sein.« Jill fing sich und ging zu den Frauen hinüber. »Nina D’Orive ist ermordet worden?«
»Ja. Kannten Sie sie?«
»Ja, ich kenne sie. Ich kannte sie. Wann ist es passiert?«
»Gestern Abend, spät. Sie ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Weil sie sonst immer pünktlich ist, hat Elliott bei ihr zu Hause angerufen. Die Polizei hat geantwortet.«
»Elliott?«
»Elliott ist unser Boss bei der Medikamentenüberwachung. Er hat uns in den Pausenraum bestellt und es uns gesagt.«
Jill dachte an das E in Williams Mails und verspürte einen Brechreiz. Hoffentlich hatte Ninas Ermordung nichts mit ihr zu tun. Aber an einen Zufall nach ihrem gestrigen Treffen wollte sie nicht glauben.
Die Übelkeit wurde stärker. Sie lief zur Tür und schaffte es gerade noch rechtzeitig zum Parkplatz, wo sie sich übergab.
52
Jill trat aufs Gas und steuerte ihren Wagen Richtung Weehawk Boulevard. Zum Glück war wenig Verkehr, in ihrer Verfassung konnte sie sich kaum konzentrieren. Sie fühlte sich schrecklich. Überall sah sie Nina mit ihrem Welpen, den sie so geliebt hatte.
Corgis sind Zwerghunde, ursprünglich hat man sie gezüchtet, um Vieh zu hüten.
Jill hielt an einer Ampel. Vor dem Eingang zum Pharmacen-Campus wehten Fahnen mit dem blauen Firmenlogo. Sie dachte an den Laptop in ihrem Kofferraum. Nach Ninas Tod musste sie Pharmacen unbedingt reinen Wein einschenken. Die Firma hatte ein Recht darauf zu wissen, was vorgefallen war.
Die Ampel schaltete auf Grün, Jill bog nach links ab und fuhr geradewegs auf den Besucherparkplatz. Sie putzte sich die Nase, stieg aus und nahm den Laptop aus dem Kofferraum. Am Empfang thronten auf dem Tisch aus massivem Granit mehrere Telefone und Computerbildschirme.
»Kann ich Ihnen helfen?« Die recht junge Frau lächelte, aber Jill war zu aufgeregt, um ihr Lächeln zu erwidern.
»Mein Name ist Jill Farrow. Ich möchte mit Elliott sprechen, dem Leiter der Arzneimittelüberwachung. Es ist wichtig.«
»Haben Sie einen Termin bei Mr. Horton?«
»Ich bin eine Freundin von Nina D’Orive. Ich bin wegen ihr hier.«
»Mein Beileid. Was für eine Tragödie.« Die junge Frau deutete auf eine Sitzgruppe. »Bitte, nehmen Sie dort Platz. Ich sage Mr. Horton Bescheid.«
»Danke.« Jill setzte sich auf einen der blau gemusterten Sessel, Handtasche und Laptop legte sie auf ihren Schoß. Die junge Frau sprach leise in den Telefonhörer, legte dann wieder auf und winkte Jill zu sich.
»Kann ich ihn sehen?«
»Es tut mir leid, aber Mr. Horton ist zurzeit nicht zu sprechen.«
»Kann ich jemand anderen sprechen? Die Angelegenheit ist streng vertraulich.«
»Und worum geht es genau?« Der Blick der jungen Frau wanderte
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