Die zweite Todsuende
Arbeitszimmer benutzen.
Ein ganzer Nachmittag verging mit einer Art Generalprobe. Mama war nicht gerade gebildet, doch ihre Eltern hatten dafür gesorgt, daß sie gewisse Elementarkenntnisse besaß; dazu kam ihre große Lebenserfahrung, die sie sich auf der Straße erworben hatte; sie kannte die Schwächen ihrer Mitmenschen recht genau. Delaney entwarf eine Art Drehbuch, an das sie sich halten sollte, verwarf aber bald, was er geschrieben hatte - sollte sie ruhig in ihrem eigenen Jargon reden. Man bombardierte sie mit Fragen, wie Geltman solche womöglich an sie richten würde, und nach anfänglichem Stocken gab sie ihre Antworten mit der genau richtigen Mischung von Frechheit und Habgier im Ton. Delaney meinte, sie werde sich glänzend bewähren.
Als das erledigt war und die Herren wieder im Wagen unterwegs waren, bemerkte Jason: «Eine tolle alte Biene! Ich glaube, es macht ihr richtig Spaß.»
«Sie steht im Mittelpunkt», bestätigte Delaney. «Und sie genießt das. Morgen nachmittag um drei herum soll sie anrufen. Dann dürfte Geltman vom Lunch zurück sein.»
«Angenommen, er beißt an, Chief», sagte Boone, «was bringt uns das ein? Vermuten Sie, daß er versuchen wird, sie umzubringen?»
«Ich hoffe es sehr. Falls nicht, verstärkt sein bloßes Erscheinen mindestens den Verdacht gegen ihn. Ich möchte aber wetten, daß er mit seinem geliebten Messer auftritt, ganz darauf versessen, sie abzustechen.»
«Sie meinen nicht, daß er sich erpressen läßt?» fragte Jason.
«So blöd ist er nicht. Er sagt sich bestimmt, daß es bei einer Zahlung nicht bleibt und daß er sie früher oder später aus dem Wege schaffen muß. Jedenfalls würde ich an seiner Stelle so denken.»
«Und glauben Sie wirklich, er hat den Schneid, sie einfach abzugurgeln?» fragte Boone.
«Zweimal hat er bereits zugestochen», sagte Delaney düster. «Mit der Zeit wird so was immer leichter.»
Am Donnerstagnachmittag sollte also telefoniert werden. Monica würde dann wie üblich in ihrem Krankenhaus bei der Arbeit sein. Es lag ihm daran, daß sie nicht mit ansah, wie er Rosa Perez als Köder verwendete. Jason sollte Mama mit dem Wagen abholen. Boone und Delaney rückten unterdessen Stühle zurecht, prüften die kleinen Bandgeräte.
Jason traf pünktlich kurz nach zwei ein. Delaney bemerkte mit Rührung, daß Mama Perez sich fein herausgeputzt hatte: sie trug ein rosa Kleid mit einem gestickten Perlenkragen, und es fehlten nur wenige. In der Hand hielt sie eine Tasche aus weißem Plastik, verziert mit einem schwarzen Pudel. Die Plattformsohlen ließen sie fast zehn Zentimeter größer wirken, und die Riemen schnitten tief in das vorquellende Fleisch der Waden, die in hellrosa Strümpfen oder einer Strumpfhose steckten. Ihr Make-up war sehenswert: grüner Lidschatten, rotgeschminkte Wangen, ein dick mit Lippenstift nachgezogener Mund.
«Sie sehen bezaubernd aus», beglückwünschte Delaney sie.
«Gefalle ich dir?» fragte sie entzückt, sagte dann aber wegwerfend: «Was ist das schon!»
Sie bat um einen Drink, und er reichte ihr prompt einen doppelten Whiskey und Wasser in einer Karaffe. Sie würde schon wissen, was ihr am besten bekam. Sergeant Boone und Jason gingen in die Diele an ihre Geräte. Delaney ließ Rosa Perez auf seinem Drehstuhl am Schreibtisch Platz nehmen, zog einen Stuhl heran, setzte sich neben sie, so dicht, daß er mithören konnte, wenn er sich etwas vorbeugte. Sollte sie ihm einen Streich spielen, konnte er jederzeit die Verbindung unterbrechen.
Kurz vor drei wählte er die Nummer der Galerie Geltman und reichte Mama Perez den Hörer hin. Die rutschte auf dem Sessel nach vorn, richtete sich kerzengerade auf, machte eine ernste und gesammelte Miene.
«Galerie Geltman», meldete sich eine Frauenstimme.
«Bitte Mr. Geltman», verlangte Mama Perez.
«Dürfte ich Ihren Namen erfahren?»
«Er kennt mich nich. Sagen Sie ihm, es ist Victor Maitland.»
«Wegen Victor Maitland? Da könnte ich Ihnen vielleicht behilflich sein. Was möchten Sie denn -»
«Mr. Geltman bitte», unterbrach Rosa barsch. «Es ist wichtig. Sagen Sie es ihm nur.»
«Einen Moment bitte.»
Sie warteten. Delaney nickte Mama Perez aufmunternd zu. Sie ließ den Goldzahn aufblitzen und lächelte überraschend koboldhaft zurück.
Im Hörer knackte es, als durchgestellt wurde.
«Hier Saul Geltman. Mit wem spreche ich, bitte?»
«Du kennst mich nich», begann Mama Perez, «aber ich kenn dich aus der Zeitung und sah dich schon
Weitere Kostenlose Bücher