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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Bildes?» erkundigte Delaney sich.
    «Oh-ho!» Saul Geltman machte unvermittelt einen Ruck nach vorn. «Da geraten wir schon ins nächste Minenfeld. Ist der Maler bekannt? Hat er gute Kritiken bekommen? Arbeitet er schnell, oder sitzt er lange an einem Bild und vergießt Ströme von Schweiß dabei? Ist er von Museen angekauft worden? Hat er was zu sagen? Hat er eine neue Art, es zu sagen? Haben prominente Sammler was von ihm gekauft? Steht eine gute Galerie hinter ihm? Hat er eine Gemeinde, die unbesehen alles kauft, was er malt? Und so weiter und so weiter. Der Preis wird nicht von einem einzigen Faktor bestimmt, sondern von einem ganzen Bündel. Ich nehme, was der Markt hergibt, und zwar unter Berücksichtigung dieser Faktoren.»
    «Ich habe gelesen, daß ein Maitland für hunderttausend weggegangen ist», sagte Delaney. «Was macht seine Bilder so gefragt? Zufällig gefallen mir seine Sachen, aber wie kommt es, daß sie soviel wert sind?»
    «Ganz recht, ich habe Studie in Blau für hunderttausend verkauft», sagte Geltman. «Er brachte das Bild, ich habe einmal telefoniert, und es war weg, ohne daß der Käufer es auch nur gesehen hätte. Folglich hab ich mit einem einzigen Telefongespräch dreißigtausend verdient. Aber es hat mich zwanzig Jahre gekostet, zu wissen, wen ich anrufen mußte …»
    Er fuhr auf seinem Drehsessel herum, bis er der künstlichen Küstenlandschaft gegenübersaß, und betrachtete die reglosen Wellen. Der Lufthauch bewegte sein Haar.
    «Was die Frage betrifft», sagte er, als spreche er zur Wand, «wieso Victors Bilder für soviel Geld weggehen … Er war einfach altmodisch. Ein Dinosaurier, wenn Sie wollen. Er wußte, was sich in Amerika in den fünfziger und sechziger Jahren auf dem Gebiet der Malerei tat. Abstrakter Expressionismus, Pop-Art, Minimal-Art, Op-Art, Weniger-ist-mehr, Flachismus… lauter avantgardistische Spielereien. Maitland hat sich keinen Deut darum geschert. Er ist seinen Weg gegangen. Ganz traditionell, gegenständlich. Wenn er einen Busen malte, dann war das ein Busen. Und Sie würden überrascht sein, wenn Sie wüßten, wie vielen Menschen daran liegt, zu erkennen, was sie auf einem Bild sehen. An Bildern, die was mitteilen. An schönen Bildern eben. Und Maitland konnte wunderschön malen. Seine Farbgebung war hinreißend. Ein phantastischer Zeichner. Ein Maler, der was von Anatomie verstand.»
    «Aber es kann doch nicht ausschließlich an der Technik liegen», sagte Delaney. «Es muß doch mehr daran sein.»
    «O ja.» Geltman nickte. «Sehr viel mehr sogar. Ich will nicht intellektualisieren, was Maitland machte, aber ich meine, es springt einem geradezu in die Augen, daß er das Sinnliche in gewisser Hinsicht vergeistigt hat. Oder vielleicht sollte ich sagen, daß er Sinnenlust auf unsinnliche Weise bildhaft machen konnte. So daß seine Akte den Betrachter ebensowenig lüstern machen wie die Venus von Milo.»
    «Finden Sie?» fragte Delaney trocken.
    Geltman lachte kurz auf.
    «Nun, sagen wir mal, mir geht es so. Für mich haben Maitlands Arbeiten überhaupt nichts Fleischliches. Er gibt einem zurück, was man seiner Kunst entgegenbringt, und bestätigt einem seine geheimsten Träume.»
    Er wirbelte wieder herum; seine Augen schimmerten feucht.
    «Was soll ich noch sagen?» Es klang, als habe er einen Kloß im Halse. «Meine Einstellung zu ihm war so zwiespältig. Ich haßte ihn aus tiefster Seele. Aber wenn ich genügend Geld hätte, ich würde alles kaufen, was er geschaffen hat, es für mich persönlich kaufen, an meine Wände hängen, die Tür abschließen, mich einfach hinsetzen und die Bilder ansehen.»
    Delaney blätterte in seinem Notizbüchlein. Die Tränen beeindruckten ihn weder so noch so. Er erinnerte sich an einen Mann, der angeklagt war, jemand mit der Axt erschlagen zu haben; der fand diesen Vorwurf so ungeheuerlich, daß er buchstäblich mit dem Kopf gegen die Zellenwand rannte. Dabei hatte er das Verbrechen tatsächlich begangen.
    «Mr. Geltman», sagte er, «ich weiß, man hat Sie schon x-mal befragt. Mir ist nur darum zu tun, noch einmal zu rekapitulieren, was Sie von jenem Freitag, an dem Maitland getötet wurde, getan haben, bis Sie am Sonntag die Leiche entdeckten. Einverstanden?»
    «Natürlich», sagte Geltman. «Schießen Sie los!» und gleich darauf: «Das sollte man zu einem Polizisten wohl nicht sagen!»
    Delaney ging auf diesen matten Witz nicht ein.
    «Unseren Unterlagen zufolge haben Sie am Freitagnachmittag eine Verabredung mit

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