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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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das selbst zu erkennen. Niemand hat es mir sagen müssen. Üben reicht nicht. Wem es nicht angeboren ist, der bleibt Durchschnitt, egal, wieviel Mühe er sich gibt. Maitland war der geborene Maler. Der hatte nicht bloß Talent, der war ein Genie, und ein Genie ist zu selten, als daß man es sausen läßt, bloß weil der geniale Maler einen vor allen Leuten schlecht macht und behandelt, als wäre man Dreck. Ich habe, wie gesagt, andere Maler unter Vertrag. Gute Maler. Aber Maitland war der einzige geniale, den ich hatte und wahrscheinlich jemals haben werde. Nun … Sie wollen bestimmt nicht, daß ich diese Platte immer weiterlaufen lasse. Was möchten Sie wissen?»
    «Nein, nein, Mr. Geltman», sagte Delaney. «Reden Sie ruhig weiter. Es könnte uns von Nutzen sein. Erzählen Sie, wie Ihre finanziellen Abmachungen mit Maitland aussahen. Wie wurde das gehandhabt?»
    «Geld», sagte Geltman. Abermals glättete er sein Haar, dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück. «Sie möchten wissen, wie das mit dem Geld war. Zuerst lassen Sie mich aber ein Wort über den Kunsthandel sagen. Wie in jeder anderen Branche kauft man möglichst billig und verkauft teuer. Das ist die Grundregel. Aber bei Kunst - ich rede jetzt von Originalgemälden, Zeichnungen, Plastiken und so weiter - ist es doch anders als sonst im Handel. Warum? Kellogg schmeißt jährlich zigmillionen Kartons Corn-Flakes auf den Markt. Alle diese Kartons sind gleich, und jeder einzelne wirft einen geringen Profit ab. Nun denken Sie sich einen Schriftsteller. Er schreibt ein Buch, und wenn er Glück hat, werden davon eine Million Exemplare abgesetzt. Oder einen Musiker. Ein Geiger bespielt eine Platte, und auch davon läßt sich vielleicht eine Million verkaufen. Aber ein Maler? Ein einziges Bild. Mehr nicht. Eins. Gewiß, Künstler wie Norman Rockwell und Andy Wyeth schließen Verträge über den Verkauf von Reproduktionen. Zeichnungen, Radierungen und Stiche lassen sich in begrenzter Zahl auflegen. Aber ich rede jetzt von Ölgemälden. Originalen. Von denen es nur ein einziges Exemplar gibt. Vielleicht sitzt der Maler ein ganzes Jahr oder noch länger daran. Er möchte für seine Arbeit, seine Zeit und sein Talent bezahlt werden. Das ist verständlich. Normal. Aber wie viele Leute in Amerika oder anderswo kaufen schon Originalgemälde oder Originalplastiken? Vor allem von Künstlern, die noch keinen Namen haben? Raten Sie mal, wie viele?»

    «Das kann ich unmöglich raten», erklärte Delaney. «Nicht viele, möchte ich sagen.»
    «Damit haben Sie recht.» Saul Geltman verschränkte die Hände im Nacken. «Dreitausend. Viertausend vielleicht. In der ganzen Welt. Leute, die einen guten Preis für ein Originalkunstwerk zahlen. Und damit sind wir beim Agenten. Ein guter Agent kennt diese drei- oder viertausend Leute. Nicht alle, versteht sich, aber immerhin genügend. Können Sie mir folgen? Ein Agent macht sich selbst einen Namen, er arbeitet an seiner Reputation. Die reichen Kunstsammler vertrauen ihm. Nur sehr wenige verlassen sich auf ihren eigenen Geschmack, sie verlassen sich lieber auf einen Agenten. Vielleicht wollen sie Bilder nur als Kapitalanlage kaufen, das tun viele. Ich könnte Ihnen Geschichten von Profiten erzählen, die Sie einfach nicht glauben würden. Oder es geht ihnen darum, was Passendes zu ihren Vorhängen zu finden. Sehr wenige lieben Kunstwerke wirklich — ich zum Beispiel. Die möchten in ihren Häusern gern schöne Bilder aufhängen. Möchten mit Kunst leben. Ein guter Agent kennt alle Arten von Käufern. Davon lebt er schließlich. Das ist der Dienst, den er den Künstlern anbietet, die er vertritt. Gegen dreißig Prozent. Soviel habe ich von Victor Maitland bekommen.» Geltman grinste fröhlich. «Der Anfang ist immer so schwierig, daß kein Mensch dreißig Prozent übertrieben findet. Vom Kaufpreis. Nähme ich heute einen neuen Maler unter Vertrag, ich würde vielleicht fünfzig Prozent verlangen. Ein bißchen darüber, ein bißchen darunter, je nachdem, was für Sachen der Betreffende macht, was die Kritiker davon halten, wie produktiv er ist und so weiter.»
    «Dreißig bis fünfzig Prozent», wiederholte Delaney. «Gilt das für die meisten Kunsthändler?»
    Geltman wedelte mit der Hand.
    «Vielleicht auch ein bißchen mehr oder ein bißchen weniger. Bei den hohen Mieten, die wir hier an der Madison Avenue zahlen müssen, würde ich fünfzig Prozent für durchaus angemessen halten.»
    «Und was bestimmt den Kaufpreis eines

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