Die zweite Todsuende
meisten Künstler sind nun mal außerordentlich schlechte Geschäftsleute und führen keine Bücher. Maitland auch nicht. Wenn er ein neues Bild anbrachte, ließ ich zunächst mal eine Farbaufnahme davon machen, die ich in das Hauptbuch einklebte; dazu notierte ich das Datum, an dem es abgeliefert wurde, den Titel, Format in Zentimetern und so weiter. Wurde es verkauft, kam das neue Datum hinzu, außerdem Name und Adresse des Käufers, der erzielte Preis sowie Nummer und Datum des Schecks, den ich Maitland schickte. Kommen Sie, lassen Sie mich Ihnen zeigen …»
Geltman sprang auf die Füße, eilte mit weit ausgreifenden Schritten zu dem altmodischen Geldschrank, stellte die Kombination auf beiden Zahlenschlössern ein und riß die schwere Tür auf. Im Innern befand sich noch eine zweite verschlossene Stahltür, die mittels eines Schlüssels geöffnet wurde. Geltman nahm ein großes, in Leinen gebundenes Kontobuch mit roten Lederecken heraus und trug es zu seinem Schreibtisch.
Delaney und Sergeant Boone stellten sich links und rechts neben ihn, wodurch der ohnehin kleine Mann gleichsam zum Zwerg wurde.
«Hier haben wir eines, das wir Klatschmohn nannten. Geliefert am 3. März 1971. Die Polaroidaufnahme. Format. Verkaufsdatum. Erzielter Preis. Scheck. Nur zu, sehen Sie sich's an. So verfahre ich mit meiner gesamten Ware.»
«Wer setzte den Kaufpreis fest?»
«Ich. Allerdings im Einvernehmen mit Maitland. Ich vergewisserte mich jedesmal, daß er einverstanden war, ehe ich ein Geschäft abschloß.»
«Hat er jemals Einwände erhoben. Mehr gewollt?»
«Das ist ein paarmal vorgekommen. Ich habe aber nie mit ihm gestritten. Einmal verlangte er mehr für ein Bild, und wir bekamen auch mehr. In allen übrigen Fällen war er mit meiner Empfehlung einverstanden.»
Delaney blätterte das Buch durch. Für jedes Bild war eine Seite reserviert; seine Aufmerksamkeit galt vornehmlich den Kaufpreisen.
«Es ist ihm nicht schlecht gegangen», bemerkte er. «Ständig steigende Erlöse. Angefangen hat er mit hundert Dollar, und am Schluß bekam er hunderttausend.»
«Ja, aber jetzt sehen Sie sich mal dies hier an», sagte Geltmann und blätterte weiter. «Seine neuen Arbeiten, die auf dieser Ausstellung gezeigt werden. Noch unverkauft. Sehen Sie sich dieses hier an. Prachtvoll! Für dieses bekomme ich bestimmt zweihunderttausend, da bin ich ganz sicher. Mindestens.»
«Und wenn die hier verkauft sind?» wollte Delaney wissen. «Gibt es dann keine Maitlands mehr?»
«Nun, das kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen», erklärte Geltman vorsichtig. «Sie wissen ja, die meisten Künstler sind irgendwie verrückt. Wirklich meschugge. Malen Bilder und horten sie irgendwo wie die Eichhörnchen. Falls mal schlechte Zeiten kommen, falls sie krank werden oder nicht mehr arbeiten können. Oder um etwas zu haben, was sie der Frau oder den Kindern hinterlassen können. Ihr Erbe.»
«Meinen Sie, Maitland hat das getan?»
«Das weiß ich nicht», sagte Geltman und trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern. «Gesagt hat er nie was davon. Einmal hab ich ihn rundheraus danach gefragt, doch er hat bloß gelacht. Ich weiß es also nicht wirklich.»
«Mich überrascht, daß Mrs. Maitland Sie diese Ausstellung machen und seine letzten Arbeiten verkaufen läßt.»
«Was ist daran so erstaunlich?»
«Sie hat uns gesagt, sie hätte eine Klage gegen Sie eingereicht», sagte Delaney und blickte ihn dabei an.
Geltman lachte, trat hinter seinen Schreibtisch und ließ sich in den Drehsessel plumpsen.
«Damit wird sie sich abfinden müssen», sagte er unbekümmert. «Frauen und Witwen von Künstlern sind der Fluch meines Gewerbes. Falls man so was überhaupt ein Gewerbe nennen kann. Die glauben durch die Bank alle, daß wir ihre armen, hilflosen Männer aufs Kreuz legen. Nun, hier ist das Hauptbuch. Ich habe Alma gesagt, sie kann jederzeit mit ihrem Anwalt herkommen und es sich ansehen. Maitland hat alle meine Schecks eingelöst. Was sie herauszufinden fürchtet und worauf sie selbstverständlich stoßen wird, ist, daß er Bilder gemalt hat, von denen er ihr nichts erzählt hat. Die Schecks hat er persönlich in Empfang genommen oder per Post in sein Atelier in der Mott Street zugestellt bekommen. Sie wußte nichts davon - aber sie hatte so ihren Verdacht. Das Geld hat er selber verbraucht.»
«Wofür?» fragte Delaney.
«Wein, Weib und Gesang. Für Gesang allerdings nur sehr wenig.»
Delaney und Boone ließen sich vorsichtig wieder
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