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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Haltestelle, keine zwei Blocks von Maitlands Atelier entfernt. Sie fahren mit der U-Bahn und riskieren auf diese Weise nicht, im Verkehr steckenzubleiben. Ich glaube, hin und her könnten sie es in anderthalb bis zwei Stunden schaffen - fünf oder zehn Minuten für den Mord an Maitland inbegriffen.»
    «Ich weiß nicht recht», sagte Delaney zweifelnd. «Damit wird der Spielraum verdammt eng.»
    «Soll ich die Zeit mal stoppen, Sir?» fragte Boone und wurde ganz aufgeregt bei dem eigenen Einfall. «Ich fahre von Dukker zu Maitland und zurück, und dann versuch ich's noch mal mit der U-Bahn.»
    «Gute Idee.» Delaney nickte zustimmend. «Und zwar beides zwischen zehn und drei an einem Freitag; dann werden auf der Straße und in der U-Bahn annähernd die gleichen Verhältnisse herrschen wie damals.»
    «Mach ich», sagte Boone eifrig.
    Sie schwiegen eine Weile und verzehrten ihre fetttriefenden Würstchen.
    «Na, dann wollen wir uns mal Jake Dukker ansehen», sagte Delaney. «Wir können zu Fuß rübergehen …»
    Das hohe, schmale und verrußte Gebäude war eines der ältesten am Central Park South. Es war eigens erbaut worden, um Malern und Bildhauern, Musikern und Sängern Ateliers und Platz zum Arbeiten und Üben zu bieten. Die einzelnen Räume hatten hohe Decken, es stand viel Raum zur Verfügung, und die Mauern waren dick. Fenster, die vom Boden bis unter die Decke gingen, gewährten gleichbleibendes Nordlicht und einen schönen Blick auf den Park: ein englisches Landhaus inmitten einer Stadt aus Stahl und Beton.
    Jake Dukker hatte den vierten und fünften Stock für sich. Das untere Geschoß "war umgebaut worden und beherbergte Empfangsräume, Arbeitsräume oder Ateliers, Umkleideräume für die Modelle, eine Dunkelkammer, einen Raum zur Unterbringung von Kulissen und anderen Utensilien, ein Klo und eine winzige Teeküche mit Eisschrank, Ausguß, Herd und einem kleinen Apparat, der Eiswürfel produzierte, die er hin und wieder klirrend in einen Behälter spuckte.
    Das Atelier war rein funktional eingerichtet: Rollen mit Endlospapier und Leinwand, eine Batterie Flutlichter und Punktstrahler, Starkstromkabel, eine Bühne, Posierpodest, Deckenbeleuchtung wie im Theater, Spiegel, Reflektoren aus rostfreiem Stahl und weißem Tuch, Staffeleien, ein Arbeitstisch, übersät mit Farben, Paletten, Mischbehältern … Die "Wände tapeziert mit gerahmten Bildern, Drucken, Stichen, Lithos und Zeichnungen, die meisten signiert.
    Der fünfte Stock, den man über eine Wendeltreppe erreichte, beherbergte die Wohnräume des Künstlers: einen Riesenraum mit genug Sofas, Sesseln und Sitzkissen, um eine interkonfessionelle Orgie zu veranstalten. Zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, eine wohlausgestattete Küche - an den Wänden hingen Pfannen und Töpfe mit Kupferboden sowie ein gewaltiges Gewürzregal - und ein Eßtisch mit Glasplatte, der zwölf Personen bequem Platz bot.
    Im Wohnbereich bissen sich die Farben; es herrschte ein überraschend wohltuendes und reizvolles Durcheinander von Proben der kurzlebigen Begeisterung des Besitzers für verschiedene Kunststile und -richtungen: Bauhaus, skandinavische Möbel, Art-Deco, New Yorker Victoriana und Jugendstil, ja Traktorensitze als Hocker und Trommeln für Fernmeldekabel als Cocktailtischchen.
    Der Eigentümer dieses Sammelsuriums war selber ein Potpourri modischer Trends. Er trug ausgebleichte Bluejeans, von einem superbreiten Ledergürtel mit einer abgewetzten Messingschließe gehalten, welche das Firmenzeichen von Wells Fargo aufwies. Ungeachtet dieser Symbole rauher Männlichkeit steckten seine langen, schmalen Füße in weichen schwarzen Ballettschuhen. Sein Hemd bestand aus indischem Baumwollgespinst, bis kurz über dem Nabel offen; die Schultern waren mit Rosengirlanden bestickt und die weiten Ärmel so gebauscht, daß jeder Zigeuner bei ihrem Anblick seine Geige hätte schluchzen lassen. Auf der nackten Brust baumelte an einer dicken Goldkette ein blinkendes Medaillon.
    Der Mann selbst war groß und schlaksig, und seine schlanke Grazie wurde nur durch ein wohlgenährtes Bäuchlein beeinträchtigt, groß wie eine halbe Kegelkugel, die den Ledergurt stark beanspruchte und Wells Fargo zu sprengen drohte. Man hatte weniger den Eindruck, daß er sich bewegte, als daß er in rascher Folge eine Reihe von Posen einnahm: nach außen gedrehte Füße, die Arme in die Seiten gestemmt, den Kopf zur Seite gelegt, die Knie eingeknickt. Er glich einem ruckweise ablaufenden Film, klick, klick,

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