Die zweite Todsuende
Zeichnung, doch er gestand, daß er sich nicht schäme, seinen Namen darunter zu setzen. Ach, verdammt, sie ist besser als so manches, was er gemacht hat. Und ich hab's auch nicht von einem Foto abgezeichnet. Einfach hingehauen hab ich's. So bedeutend war er nun auch wieder nicht. Ich hätte … Jeder glaubt … Nun, gehen wir nach oben und machen es uns bequem. In einer Stunde oder so habe ich die nächsten Aufnahmen. Ich muß einfach weitermachen. Kann nicht aufhören.»
Ehe er sie die Wendeltreppe hinaufführte, grapschte er eine braune Baskenmütze von der mit allen möglichen Dingen übersäten Werkbank und zog sie verwegen über ein Auge. Sie sahen ihm dabei zu, sagten jedoch kein Wort. Sie waren Polizeibeamte; Verrücktheiten ließen sie kalt.
Oben fragte er, ob er etwas anbieten dürfe. Als sie ablehnten, bestand er darauf, wenigstens frischen Kaffee zu machen. Den bereitete er in einem exotischen Glasbehälter mit einem Tauchmechanismus, mit dessen Hilfe ein Sieb voll Kaffeemehl durch heißes Wasser gezogen wurde.
«Der wird Ihnen schmecken», versicherte er. «Besser als gefilterter Kaffee. Und die Mischung mache ich selber aus Mokka, Java und Kolumbianischem, den ich ungemahlen in einem hinreißenden kleinen Laden an der Lower East Side kaufe. Ich mahle ihn jeden Morgen frisch. Er schmeckt rund und hat einen besonders feinen Duft.»
Delaney hatte nie schlechteren Kaffee getrunken, und Boone, nach dessen Gesichtsausdruck zu urteilen, ebenfalls nicht. Immerhin schlürften sie höflich davon.
Sie saßen ziemlich unbequem auf einem kurzen blutroten Samtsofa, geformt wie zwei menschliche Lippen. Jake Dukker lag hingelümmelt ihnen gegenüber in einem Ledersessel, der einem Baseballhandschuh nachgebildet war.
«So …» sagte er. «Was kann ich für Sie tun?»
Sie zogen ihre Notizbücher hervor. Delaney rekapitulierte Dukkers Aktivitäten am Tag des Mordes. Seine Empfangsdame und seine Assistenten waren gegen neun erschienen und hatten die Tagesarbeit vorbereitet. Gegen zehn waren die Modelle gekommen, eine halbe Stunde später begannen die Aufnahmen. Belle Sarazen erschien gegen halb zwölf. Um zwölf ging sie mit Jake Dukker nach oben, etwas essen.
«Eine hinreißende Omelette», unterbrach Dukker ihn.
Um halb zwei waren sie wieder unten, und Belle Sarazen verließ das Atelier nach etwa einer Stunde, vielleicht auch etwas später. Kurz vor drei war die Knipserei zu Ende, die Modelle gingen. Dukker blieb bis sieben in seiner Wohnung; dann setzte er sich ins Auto und fuhr zu einer Dinnerparty bei Freunden in Riverdale.
«In Ihrem eigenen Wagen?» fragte Delaney.
Dukker nickte. «Weggeworfenes Geld, wenn man's recht bedenkt. Für gewöhnlich nehme ich ein Taxi. In Manhattan einen Parkplatz suchen ist Wahnwitz. Die meiste Zeit über steht der Wagen in der Garage. West 85th Street. Möchten Sie Namen und Adresse der Garage?»
«Nein, danke, Mr. Dukker», sagte Delaney. «Die haben wir bereits. Was war mit Belle Sarazen?»
«Was soll mit ihr gewesen sein?»
«Hatten Sie Verkehr mit ihr?»
Dukker tat einen tiefen Schluck aus seiner Tasse und feixte.
«O Gott, ja», sagte er. «Wie die halbe Stadt. Belle verschenkt ihre Gunst ohne Ansehen von Rasse, Glauben, Hautfarbe oder Herkunft.»
«Sie sagt, Sie haben Victor Maitland gehaßt?» fragte Delaney mit ausdrucksloser Stimme.
«Das hat sie gesagt? Das kann ich nicht glauben.»
«O ja.» Delaney nickte und vertiefte sich in sein Notizbuch. «Sie sagte, Sie haben ihn gehaßt, weil Sie Maitland um seine künstlerische Integrität beneideten. Das ist ihr Ausdruck ‹künstlerische Integrität›, nicht meiner.»
«Dieses Luder!» sagte Dukker und lehnte sich in seinem Sessfel zurück. «Beneidet, vielleicht. Ja, hab ich wohl. Aber gehaßt? Das glaube ich nicht. Ganz bestimmt nicht genug, um ihn umzubringen. Ich hab geweint, als ich hörte, daß er tot ist. Ob Sie es glauben oder nicht, es hat mir wirklich einen Schlag versetzt.»
«Nun, das ist etwas anderes», sagte Delaney. «Sie sind der erste nahe Bekannte von Maitland, der bei seiner Vernehmung ein Wort des Bedauerns gesagt hat. Ausgenommen höchstens sein Agent Geltman.»
«Sein Agent?» wiederholte Dukker. Völlig unerwartet lachte er. «Agent nennen Sie ihn?»
«Er war doch schließlich Maitlands Agent, oder?»
«Hm … ja, war er wohl.» Dukker lächelte immer noch. «Aber diese Leute hören es nicht gern, wenn sie Agenten genannt werden. Sie bevorzugen ‹Kunsthändler›.»
«Wir hatten
Weitere Kostenlose Bücher