Die zweite Todsuende
klick, klick, bei dem jedes Weiterrücken ein anderes Arrangement von Zügen und Gliedern freigab. Es fehlte der Fluß der Bewegung.
Die bereits im ehemündigen Alter stehende Empfangsdame sagte den Beamten, sie sollten nur ins Atelier hineingehen. Als Jake Dukker mit zwei Kameras um den Hals auf sie zukam, um sie zu begrüßen, war das erste, was Delaney auffiel, ein Stalinschnauzbart von buschig-borstigem Wuchs sowie finstere, feuchte und dem Anschein nach unstete Augen. Seine Nase war ein scharfer Zinken, und seine Zähne waren so regelmäßig, gemeißelt wie kleine Grabsteine, mit leicht gelblichen Flecken darauf. Die eingefallenen Wangen bildeten Gruben mit Schatten darin; gut rasiert war er nicht. Schwarzes Haar, im Mod-Stil frisiert, üppig, gebürstet und mit Spray in Form gehalten, bedeckte die Ohren. Im Gegensatz zu Geltman wirkte er weder adrett noch gepflegt oder auch nur reinlich. Aber das konnte, wie Delaney nachsichtig zugestand, auch an der Hitze der Atelierbeleuchtung liegen.
Nach der Vorstellung sagte Dukker: «Ich möchte eben noch fertigmachen. Nur ein paar Aufnahmen. Sehen Sie sich um. Und stolpern Sie nicht über die Kabel.»
Auf einem Podest, vor einer Rolle violettem Kreppapier, posierte ein junges Fotomodell mit dem Körper eines Teenagers; sie wandte den Scheinwerfern und Reflektoren, die von Dukkers Assistenten bedient wurden, den Rücken zu. Sie trug das Unterteil eines leuchtend roten Bikinis; ihr Oberkörper war nackt. Auf dem Kopf saß ein überdimensionaler, breitrandiger weißer Strohhut mit lila Band. Sie stand in Sprungpose, hatte beide Arme nach einer Seite ausgestreckt und umfaßte den Griff eines geschlossenen rosa Sonnenschirms.
Jake Dukker hob eine seiner Kameras, eine Nikon, und kauerte sich in Schußposition hin …
«Hintern höher, Süße», rief er. «Prachtvoll! Stütz dich auf den Schirm! Sensationell! Das Profil mir zuwenden! So ist's richtig! Sexig lächeln! Großartig! Gewicht auf das Bein da, und den Hintern noch mehr raus! Das wär's…»
Das Mädchen verblieb in dieser Haltung; Dukker richtete sich auf, ging in die Hocke, lehnte sich vor, streckte sich, ging näher heran, entfernte sich wieder, klickte, drehte den Film weiter. Er wechselte blitzschnell die Kamera, fuhr in seinen turnerischen Verrenkungen fort, machte dabei kaum eine Pause, klick, klick, klick, klick, bis er sich schließlich aufrichtete, die Schultern zurücknahm und das Knie reckte, um den Rücken zu strecken.
«Das wär's», rief er seinen Assistenten zu. «Macht Schluß!»
Sämtliche Scheinwerfer erloschen. Einer der Assistenten nahm Dukker die Kamera ab. Das Modell entspannte, nahm den Hut ab, schüttelte das blonde Haar frei. Dann drehte sie sich um und zeigte dabei kleine Brüste mit überraschend großen braunen Höfen.
«Okay, Jake?» fragte sie.
«Unglaublich, Süße», sagte er. «Sexy und doch sauber. Gretchen hat einen Scheck für dich. Zieh dich an und iß nicht so viel. Noch fünf Pfund, und du bist nicht mehr im Geschäft.»
Er wandte sich Delaney und Boone zu; Schweiß strömte über sein ausgemergeltes Gesicht.
«Soll ein Schutzumschlag für ein Taschenbuch werden», erklärte er. «Bißchen wenig Titten, aber immer noch genug, um angenehm zu erregen.» Er griff nach einem schmutzigen Handtuch und wischte Gesicht und Hände ab. «Eigentlich haben wir 'ne Klimaanlage», sagte er, «aber sobald die Scheinwerfer an sind, merkt man davon nichts mehr.»
«Sie arbeiten hart, Mr. Dukker», sagte Delaney.
«Wem sagen Sie das! Ich mach alles: Mode, Buchumschläge, Plattenhüllen, Ölbilder, Zeitschriftenillustrationen, Poster, Anzeigen. Was Sie wollen. Heute morgen hat einer einen Satz Spielkarten bestellt. Ist das noch zu fassen?»
«Pornographische?» fragte Delaney.
Dukker fuhr kaum merklich zusammen. «Hart am Rande», sagte er und versuchte zu lächeln. «Verdammt hart am Rande. Ich hab übrigens abgelehnt. Möchten Sie sich umsehen, bevor wir raufgehen?»
«Nur ganz kurz», sagte Delaney und trat an die Wand, um die gerahmten Kunsterzeugnisse zu betrachten. «Sie haben ein paar wunderschöne Dinge hier. Kennen Sie alle diese Künstler persönlich?»
«Alle», antwortete Dukker. «Schlechte Freunde und als Feinde hinterhältig bis dorthinaus. Sehen Sie sich das da an. Die Zeichnung da drüben neben dem Fenster, die in dem schmalen Goldrahmen. Die könnte Sie interessieren.»
Gehorsam stellten Delaney und Boone sich davor. Die Skizze war zweimal durchgerissen, die
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