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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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bei ihr?»
    «Maitland umzubringen?»
    «Nein. Zu leben, wie sie es tut.»
    «Geldgier», sagte Boone sofort. «Alles für Geld.»
    «Der Meinung bin ich nicht», widersprach Delaney, ohne zu zögern. «Das mag auf Saul Geltman zutreffen. Ist Ihnen übrigens aufgefallen, daß er die Kunstwerke, die er verkauft, seine ‹Ware› nennt? Nein, ich glaube nicht, daß das bei der Sarazen zutrifft. Geld? Klar braucht sie Geld. Das tun wir ja alle. Aber als Mittel zum Zweck; nicht Geld um des Geldes willen.»
    «Warum denn?»
    «Ich sehe sie folgendermaßen: ein munteres Mädchen aus guter Familie, die bessere Zeiten gesehen hat. Heiratet einen reichen älteren Mann. Großes Haus, Pferde, viele Gäste, der ganze Sums. Jetzt ist sie wer! Er geht fremd, und sie ist stolz und hat Temperament, also legt sie Canfield um. Das macht Schlagzeilen, ihr Name und ihr Bild gehen durch die Presse. Das gefällt ihr. Sie schwirrt nach Paris ab, gibt das Geld mit vollen Händen aus, kommt sich fabelhaft vor, eine gerissene Frau, die es geschafft hat, einen Mord zu begehen, ohne erwischt zu werden. Aber Europa ist voll von Aasgeiern, die noch geriebener und noch gerissener sind als sie; nach fünf Jahren ist das Geld futsch, und wer ist schon eine Belle Sarazen aus Raccoon Ford, Virginia? Wenn sie in Europa bleiben will, muß sie sich billig verkaufen. Folglich kommt sie nach Hause zurück und angelt sich den Abgeordneten Burroughs als Ehemann. Jetzt ist sie wieder wer und führt in Washington ein großes Haus. Schmeißt Parties. Hat den Präsidenten zu Gast. Burroughs kostet das nicht so viel. Ich weiß, wie so was in Washington, D.C., läuft; Lobbyisten und PR-Leute zahlen mit Vergnügen ihre Rechnungen, wenn sie die richtigen Leute einlädt und auf heikle Abstimmungen im Parlament Einfluß nehmen kann. Dann kratzt Burroughs ab, und sie verliert ihre Machtbasis. In Washington wimmelt es von Abgeordnetenwitwen. Folglich geht sie nach New York und mischt sich unter Künstler und Museumsleute. Hält ihre Freundschaft mit Politikern aufrecht. Versorgt sie mit Frauen und - falls nötig — auch mit ein bißchen Koks oder ein paar Poppers. Stellt ihre Wohnung für Jux und Tollerei zur Verfügung. Nimmt dafür Geschenke an, Geldgeschenke, und hat wieder Protektion. Wichtiger noch, sie kommt in die Klatschspalten: Gastgeberin, stadtbekannte Frau, Modell berühmter Maler und Modefotografen; sie ist immer noch wer.»
    «Aber warum?» wollte Boone wissen.
    «Wenn schon nicht berühmt, dann wenigstens berüchtigt», sagte Delaney düster. Es war fast, als spreche er zu sich selbst. «Solange die Welt nur weiß, daß es Belle Sarazen gibt. Die Mappe mit den Zeitungsausschnitten ist typisch. Sie muß sich immer wieder vergewissern, daß sie wer ist. Manche Menschen brauchen das. Sie haben eine so geringe Meinung von sich, daß sie um jeden Preis in den Augen der Menschen ein anderes Bild von sich aufbauen müssen. Sie ist eine Spiegelfrau. Jetzt kann sie in diesen Spiegel schauen, und was sie dort sieht, ist eine sexige Schönheit mit einem unverbrauchten Gesicht und einem Körper, der so bleibt, wie er war. Aus den Zeitungsausschnitten erfährt sie, wer sie ist. Gäbe es diesen ganzen Publicityrummel nicht, würde die Welt nicht auf sie reagieren, wäre nichts da, wenn sie in den Spiegel schaute. Deshalb ist sie bereit, alles für ihre prominenten Freunde zu tun. Sie muß sich an denen festklammern, die die Welt bewegen. Um sich zu beweisen, daß auch sie prominent ist. Armes Flittchen!»
    «Chief, glauben Sie wirklich, sie wußte, daß es Canfield war, als sie losballerte?»
    «Selbstverständlich. Sie hat sich verraten, als sie sagte, ihr Lieblingsfall sei der Fall Durkee. Den haben wir dadurch gelöst, daß wir eine eifersüchtige Frau unter Druck setzten, eine Frau, die sich einbildete, ihr wären Hörner aufgesetzt worden. Damit konnte Belle sich identifizieren; schließlich ist sie selbst betrogen worden.»
    «Aber könnte sie auch Maitland erstochen haben?»
    «Ich denke schon. Falls er ihre Selbstachtung bedrohte, das Wunschbild, das sie von sich hatte. Die Kraft dazu besitzt sie ganz bestimmt!»
    «Oder um des Kitzels willen», sagte Boone sinnend. «Vielleicht hat sie es auch nur um des Kitzels willen getan.»
    «Auch dazu wäre sie imstande», sagte Delaney unbewegt. «Einmal ist sie damit durchgekommen. Und wer so was mal geschafft hat, glaubt, er könnte dem lieben Gott gegen das Schienbein treten.»
    «Hören Sie, Chief», sagte der

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