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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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weißer Chrysanthemen in grünem Seidenpapier kam er zurück.
    «Für Ihre Frau.»
    «Das wäre aber nicht nötig gewesen», sagte Delaney erfreut.
    Sie mußten in einem für Polizeifahrzeuge reservierten Streifen vor dem 251. Revier parken, doch inzwischen war Boones Wagen den Kollegen dort bekannt, und so bestand keine Gefahr, daß er einen Strafzettel bekam oder abgeschleppt wurde. Um ganz sicherzugehen, steckte er das Schild POLIZEIBEAMTER IM DIENST hinter die Windschutzscheibe.
    Die Frauen waren in der Küche, lachend und mit geröteten Gesichtern. Das lag zum Teil an den Martinis, die Monica vorbereitet hatte. Delaney schenkte sich einen Doppelten ein und fügte ein Stück Zitronenschale hinzu. Boone bekam eine kleine Flasche Tonic Water auf Eis, mit einem Schuß Limonensaft.
    Die beiden Männer hätten sich gern zum Plaudern in die Küche gesetzt, doch die Damen verscheuchten sie. Sie gingen also in Delaneys Arbeitszimmer, ließen sich dankbar in die abgewetzten Klubsessel fallen und streckten die Beine aus. Schweigend und behaglich saßen sie eine Weile da.
    «Ich erinnere mich an einen Mordfall, mit dem ich vor vielleicht zwanzig Jahren zu tun hatte», begann Delaney. «Das Ganze sah recht eindeutig aus. Ein junger Mann von, sagen wir fünfundzwanzig behauptete, er hätte seinen Vater erschossen. Der Junge hatte aus Korea seine Armeepistole mitgebracht. Der Vater war ein wahrer Schrecken. Prügelte seine Frau, war überhaupt gewalttätig. Sie beklagte sich zwar häufig, scheute aber vor einer Strafanzeige zurück. Der Junge konnte das nicht mit ansehen und griff, wie er sagte, zur Pistole. Herrgott, das Zimmer hätten Sie mal sehen sollen. Die Wand mußte neu verputzt werden. Ein ganzes Magazin war abgefeuert worden, die meisten Geschosse trafen den Vater. Er war Brei. Der Junge kam aufs Revier und legte die Pistole auf den Tisch. Der diensthabende Sergeant wäre fast ohnmächtig geworden. Der Sohn gestand alles. Aber irgendwie paßte es nicht zusammen. Der Junge war bei der Militärpolizei gewesen und alles andere als ein Dummkopf. Er wußte genau, wie er mit so einer Pistole umzugehen hatte. Und hätte nicht einfach wild drauflosgeballert. Eine Kugel hätte es auch getan.»

    «Also die Mutter», sagte Boone mit düsterer Miene.
    «So sah es aus.» Delaney nickte. «Der Sohn wollte die Schuld auf sich nehmen. Dachte jeder. Und wer wollte ihr schon einen Vorwurf machen? Nachdem sie so viel hatte erleiden und erdulden müssen. Was würde sie schon bekommen? Kein Mensch steckt eine alte Frau ins Kittchen, weil sie einen Mann umlegt, der mit den Fäusten auf sie losgeht. Was hatte sie also zu befürchten? Einen Klaps auf die Finger. Bewährung wahrscheinlich. Jeder wußte es; und jeder war es zufrieden.»
    Delaney hielt inne und nippte an seinem Martini. Boone sah ihn an und wurde nicht schlau aus ihm. Der Gesichtsausdruck des Chief verriet nichts.
    «Und?» fragte Boone. «Worauf wollen Sie hinaus, Sir?»
    «Worauf ich hinauswill?» fragte Delaney beinahe schroff, das Kinn tief auf der Brust. «Darauf, daß ich's den beiden nicht abkaufen wollte. Hab mich also 'n bißchen umgehört. Der Junge hatte Gelegenheit, sich in eine Kfz-Werkstatt einzukaufen, aber der Vater wollte ihm das Geld dafür nicht vorstrecken. Hatte es zwar, wollte dem Sohn aber keine Chance geben. ‹Ich mußte für jeden Penny, den ich habe, hart arbeiten. Das kannst du auch.› In der Tonart etwa. Unentwegt Streit. Da hat der Sohn ihn am Ende blindwütig erschossen, allerdings so blindwütig nun auch wieder nicht, es sollte nämlich so aussehen, als ob die Mutter es getan hätte. Er wußte ja, daß sie mehr oder weniger ungeschoren davonkommen würde. In Wahrheit war es dann doch der Sohn gewesen. Er nahm an, daß wir denken würden, er wolle seine Mutter decken. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß er kein Dummkopf war.»
    «Dieser gemeine Hund», sagte Boone langsam. «Und was geschah?»
    «Ich berichtete meinem Vorgesetzten, und der hätte mich am liebsten umgebracht. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, die alte Frau vor Gericht zu bringen. Jetzt lag es an ihm, ob gegen den Sohn Anklage erhoben wurde oder nicht. Am Ende beschloß er, sich doch an die Mutter zu halten. Er vergrub meinen Bericht und sagte mir, was er zu tun gedachte; wenn ich wollte, könnte ich ihn verpfeifen. Ich hab's nicht getan. Er war ein guter Polizist. Na ja, so gut vielleicht nun auch wieder nicht, aber immerhin menschlich. Folglich ließ er meinen Bericht über den

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