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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Sohn verschwinden, die alte Frau wurde angeklagt und mit Bewährung verurteilt, ganz wie erwartet. Es gab ein bißchen Geld von der Versicherung, der Junge kaufte sich in die Werkstatt ein und lebte fortan glücklich und zufrieden. Machte sich nie wieder die Hände schmutzig, wich nie vom Pfad der Tugend ab. Aber wo bleibt die Gerechtigkeit in diesem Fall?»

    «Ich finde das Ende durchaus gerecht», sagte Boone unerschüttert. «Ein Tunichtgut wird umgelegt, eine Frau wird aus einer Ehe befreit, die für sie die Hölle gewesen ist, und der Sohn kann sich eine Existenz aufbauen.»
    «Sehen Sie das wirklich so?» fragte Delaney und runzelte die Brauen. «Ich habe seither fast täglich bereut, mich damals nicht doch durchgesetzt zu haben. Ich hätte mir den Sohn vorknöpfen und meinen Chief schlimmstenfalls hochgehen lassen müssen. Sergeant, dieser junge Mann hat einen Menschen umgebracht. Das darf man niemandem durchgehen lassen. Es ist nicht richtig. Ich habe Fehler gemacht; dies war einer davon.»
    Boone sagte eine Weile nichts und starrte die brütende, müde im Sessel zusammengesunkene Gestalt an.
    «Sind Sie da ganz sicher, Sir?» fragte er leise.
    «Ja, da bin ich sicher.»
    Boone seufzte und nahm einen großen Schluck von seinem Tonic Water.
    «Wie sind Sie darauf gekommen, daß es nicht die mißhandelte Frau war, die den Mann umgelegt hat?»
    «Sie hätte es gar nicht tun können. Sie liebte ihn.»
    Nach einem Weilchen fragte Delaney: «Warum habe ich Ihnen diese Geschichte eigentlich erzählt? Ach so … jetzt weiß ich es wieder. Ich hatte überlegt, ob wohl irgendwer Victor Maitland geliebt hat.»
    Rebecca Hirsch stieß die Tür auf, stellte sich, ein Küchenhandtuch überm Arm, in Positur und verkündete: «Meine Herren, es ist angerichtet.»
    Sie lachten, rafften sich aus den Sesseln hoch und gingen ins Eßzimmer. Es war für sechs gedeckt, die Kerzen brannten bereits und Sergeant Boones Blumen prangten in einer großen Vase in der Mitte. Delaney setzte sich ans Kopfende, Monica an die Schmalseite gegenüber; links und rechts saßen jeweils Mary und Rebecca und Sylvia und Boone.
    Als Vorspeise gab es Kaviar, von dem jeder wußte, daß es Seehasenrogen war, was jedoch niemandem etwas ausmachte. Angemacht war er mit saurer Sahne, gehackten Zwiebeln, Kapern und einer Scheibe Zitrone. Zum Hauptgericht gab es Endivien- und Tomatensalat und als Beilage zum Londoner Steak nicht nur neue Kartoffeln, sondern auch noch frische Bohnen und eine Schüssel gepfefferten Blattspinat mit Schinkenwürfeln.
    Es war eine gute Mahlzeit, und es wurde ein schöner Abend. Zwei, drei, ja sogar vier Unterhaltungen liefen gleichzeitig. Das Londoner Steak wurde einstimmig für etwas zäh, aber äußerst schmackhaft erklärt. Jeder nahm zweimal, was die Köchin freute. Der Salat wurde aufgegessen und die Flasche Beaujolais geleert. Kartoffeln, grüne Bohnen und Spinat wurden pflichtschuldigst fast restlos verzehrt, und als der Nachtisch, eine Limonencreme, aufgetragen wurde, war der Appetit der Esser längst gestillt, und sie ließen sich Zeit.
    Die Mädchen gaben Monica, Rebecca und ihrem Stiefvater einen Gutenachtkuß und schüttelten Sergeant Boone feierlich die Hand und verschwanden kichernd mit ihrem Nachtisch und einem Glas Milch nach oben auf ihr Zimmer. Delaney ging um den Tisch und schenkte Kaffee ein. Er blieb bei seiner Frau stehen, und gab ihr einen Kuß auf die Wange. «Das Essen war großartig, Liebling.»
    «Wirklich phantastisch, Mrs. Delaney», stimmte Boone begeistert zu. «Ich kann mich nicht erinnern, jemals besser gegessen zu haben.»
    «Freut mich, daß es Ihnen geschmeckt hat.» Sie lächelte froh. «Wo habt ihr denn zu Mittag gegessen?»
    «In einem Schnellimbiß», sagte Boone.
    «Das sollten Sie nie tun», schalt Rebecca. «Davon kriegt man nur Sodbrennen oder gar Magengeschwüre.»
    Jetzt saßen sie und Boone einander gegenüber. Wenn ihre Blicke sich trafen, wandten sie die Augen wie zufällig ab. Sie redete ihn mit ‹Sergeant› an, und er vermied es, sie direkt mit Namen anzusprechen. Sie waren förmlich, von kühler Freundlichkeit.
    Diese Schlawiner, dachte Delaney plötzlich, die haben miteinander geschlafen!
    Abner Boone hatte bereits angesichts der Cocktails und des Weins gelitten, und Delaney hatte nicht das Herz, sich einen Cognac einzugießen. Deshalb trank er mit demonstrativem Genuß seinen Kaffee, schwieg und hörte zu, wie Boone und die Frauen sich darüber unterhielten, wie man am besten

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