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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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seither nur selten miteinander gesprochen.»
    «Aber wir bekommen jedes Jahr eine Weihnachtskarte von ihr, Mama», bemerkte Emily boshaft, woraufhin ihre Mutter sie anfunkelte.
    «Noch eine letzte Frage, Mrs. Maitland», sagte Delaney. «Wenn Ihr Sohn Sie hier besuchte, wie ist er hergekommen? Mit dem Zug oder dem Bus? Oder mit dem Auto?»
    «Mit dem Auto.»
    «Ach? Ich dachte, er hätte kein Auto gehabt? Nun, vielleicht hat er sich einen Mietwagen genommen.»
    «Nein», sagte sie. «Für die Fahrt hierher hat er Saul Geltmans Wagen geliehen.»
    «Es ist ein Kombi, Mama.»
    «So? Ich verstehe nicht viel von Autos.»
    Delaney erhob sich langsam, verstaute Notizbuch und Brille und ging zur Tür. Sergeant Boone tat desgleichen.
    «Mrs. Maitland», sagte der Chief sehr ernst und betont höflich, «Miss Maitland, wir danken Ihnen beiden für Ihre Gastfreundlichkeit und für Ihre Geduld. Ihre Bereitwilligkeit, uns anzuhören, war eine große Hilfe für uns.»
    «Ich wüßte nicht wie», versetzte Dora Maitland.
    Delaney ging nicht weiter darauf ein.
    «Eine letzte Bitte …» sagte er. «Hätten Sie etwas dagegen, daß wir uns auf Ihrem herrlichen Anwesen ein wenig umsehen? Es kommt nicht oft vor, daß wir aus der Stadt herauskommen, und es ist eine große Freude für uns, reine Luft zu atmen und einen so bezaubernden, friedlichen Besitz zu sehen. Dürfen wir uns noch ein wenig umschauen, bevor wir zurückfahren?»
    Ohne es zu ahnen, hatte er ihre Sympathie gewonnen, als er sagte: « …ein so bezaubernder, friedlicher Besitz». Es kam Leben in sie, und sie bestand darauf, geflochtene Sandalen anzulegen und mit den beiden Polizeibeamten einen Rundgang zu machen. Mrs. Maitland ging mit Delaney, Emily mit Boone. Die Haushälterin ließ sich nirgends blicken, doch das Radio plärrte in einem Seitenflügel des Hauses.
    Dora Maitland zeigte Delaney die ungepflegten Blumenbeete mit Pfingstrosen, Iris und Lilien; von einer knorrigen Eiche behauptete sie, sie sei hundertfünfzig Jahre alt; ein zerbrochenes Vogelbad, halb im Gestrüpp verborgen; wucherndes Immergrün auf dem Abhang, der zum Fluß führte; auf einer kleinen Sandsteintafel im Fundament des Hauses die Inschrift ‹T. M. 1898›, nur mit Mühe zu entziffern.
    «Der Vater meines Mannes, Timothy Maitland, begann in jenem Jahr mit dem Bau des Hauses», erklärte sie Delaney. «Er starb noch vor Fertigstellung an Tb. Seine Frau, meine Schwiegermutter, vollendete das Haupthaus und baute die Flügel an. Sie hat den größten Teil des Gartens selbst angelegt. Mein Mann und ich haben dann den Erker angebaut, die Auffahrt machen lassen und im Innern manches modernisiert. Selbstverständlich müßte viel daran getan werden, das sehen Sie ja selbst. Ich hatte vor, alles in seinem ursprünglichen schönen Zustand wiederherzustellen, doch seit Victor tot ist, habe ich keine rechte Freude mehr daran. Allerdings spüre ich, daß meine Kraft und meine Entschlossenheit zurückkehren, und ich werde es wohl doch tun. Es ist nämlich mein Traum, verstehen Sie? Ach, Mr. Delaney, Sie hätten das Anwesen sehen sollen, wie es war, als ich als junge Braut hier über die Schwelle des Hauses getragen wurde. Eines der schönsten und bezauberndsten Häuser weit und breit, mit einem Blick, dem nichts in Rockland County gleichkam. Ein samtener Rasen. Alles proper und blitzblank. Der schimmernde Fluß. Die Luft. Die Vögel und die Blumen. Genau wie Sie, kam auch ich aus dem Straßengewirr der Stadt. Mir kam dieser Besitz wie das Paradies vor. Und ich bin entschlossen, ihn wieder zu einem Paradies zu machen. O ja! Alles ist vollständig erhalten! Ich habe keinen einzigen Morgen Land verkauft. Was wir für Steuern zahlen müssen, würden Sie nicht glauben! Die Struktur des Hauses ist gesund. Ich möchte es wieder so schön herrichten, wie es war, als ich es das erste Mal sah.»
    «Ich bin sicher, daß Sie das tun werden», murmelte er.
    Drängend packte sie ihn am Ärmel.
    «Sie werden ihn doch finden, nicht wahr?» flüsterte sie, Verzweiflung in der Stimme. «Den Mörder, meine ich.»
    «Ich werde mein Bestes tun. Das verspreche ich Ihnen.»
    Sie gingen noch einmal die Front des Hauses entlang. Emily und Sergeant Boone waren gerade zwischen Garage und Erker. Sie redete angeregt, doch konnte Delaney nicht hören, was gesprochen wurde. Der Sergeant ging leicht gebeugt, hielt den Kopf gesenkt und lauschte aufmerksam.
    Dora Maitland und Delaney warteten am Eingang auf die beiden. Mrs. Maitland

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