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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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verschränkte dramatisch die Arme vor dem Busen und hob die Augen zum klaren Himmel. «Was für ein göttlicher Tag!» rief sie hingerissen aus. Delaney glaubte gern, daß sie einst auf der Bühne gestanden hatte.
    Beim Abschied unterzogen sich die beiden Polizeibeamten abermals der Zeremonie des Händeschütteln, des Nickens und Lächelns. Dann fuhren sie die gekieste Auffahrt hinunter.

    «Haben Sie die Tore gesehen?» fragte Delaney.
    «Ja», antwortete Boone. «Sie sind wirklich vernagelt.»
    «Sie hatten recht mit Geltman», sagte Delaney. «Er ist wirklich schwul.»
    «Und sie ist Alkoholikerin», bemerkte Boone dumpf.
    «Sind Sie sicher?»
    «Man muß selbst einer sein, um einen zu erkennen», erklärte Boone sachlich.
    «Woran haben Sie es gemerkt?»
    «Die rauhe Stimme, die kommt vom Whiskey, nicht vom Rauchen.»
    «Ihre Finger waren nikotingefärbt», bemerkte Delaney.
    «Aber sie hat nicht gewagt, sich eine anzustecken; dann hätten wir nämlich gesehen, wie sie zittern. Darum trug sie den Kopf auch so betont hochgereckt, sonst hätte er womöglich gewackelt und wäre runtergerollt. Ich kenne das Gefühl. Sie hielt auch die Armlehnen umklammert, um das Zittern zu verbergen. Und zwei Gläser Limonade hat sie getrunken, um den Brand zu löschen.»
    «Sie meinen, sie hat sich ein paar genehmigt, ehe wir kamen?»
    «Nein», sagte Boone, «sonst wäre sie weniger verkrampft gewesen. Sie wollte stocknüchtern sein, auch wenn das weh tat. Sie wollte nichts riskieren, womöglich was auszuplappern.»
    «Das hat sie dann aber doch getan», erwiderte Delaney. «Am Schluß.»
    «Als sie meinte, die Gefahr sei vorüber», erklärte Boone. «Glauben Sie mir, Chief, sie ist eine Schnapseule.»
    «Sie ist das, was man früher ‹ein Prachtweib› nannte», sagte Delaney.
    «Und ist es immer noch, wenigstens was mich betrifft. Massenhaft Holz vor der Tür, Sir. Können wir irgendwo halten und was essen?»
    «Mein Gott, ja», rief Delaney. «Ich bin halb verhungert. Aber lassen Sie noch Platz fürs Abendbrot, sonst krieg ich's mit meiner Frau zu tun. Es gibt übrigens Londoner Steaks und neue Kartoffeln.»
    «Möchten Sie, daß ich Rebecca abhole?»
    «Nicht nötig», sagte Delaney. «Sie wird zeitig rüberkommen und Monica helfen.»
    Sie hielten beim ersten Imbiß, den sie trafen. Dort war es überfüllt und laut, doch hatten sie immerhin Glück; die Schinken-Rührei-Sandwiches waren gut. Gesättigt schlenderten sie zum Wagen zurück. Boone lutschte an einem Zahnstocher mit Pfefferminzgeschmack. Delaney setzte sich hinters Steuer.
    Der Chief fuhr vorsichtig, bis er mit dem Wagen vertraut war. Nachdem sie die Brücke hinter sich hatten, entspannte er sich, fuhr knapp unter dem Tempolimit auf der rechten Fahrbahn und ließ die Geschwindigkeitsnarren vorüberflitzen.
    «Was haben Sie denn aus dem Mädchen herausbekommen?» fragte er Boone. «Ich weiß eigentlich nicht, warum ich sie Mädchen nenne, sie ist mindestens zweiunddreißig.»
    «Fünfunddreißig», erwiderte Boone. «Das hat sie von sich aus gesagt; es bedeutet vermutlich achtunddreißig. Haben Sie das mit der ‹festen Hand› für den Enkel mitgekriegt? Mir scheint, sie hat auch eine sehr feste Hand für die eigenen Kinder. Nur daß Victor es nicht ausgehalten hat und ausgebrochen ist. Emily hingegen blieb unter Mamas Fuchtel.»
    «Da bin ich nicht so sicher», sagte Delaney gedehnt. «Das Mädchen hat Mumm; gebrochen ist sie nicht. Vielleicht ist das mit dem Trinken ziemlich neu, und Mama verliert die Kontrolle. Warum der Alte sich wohl davongemacht hat? Haben Sie irgendwas erfahren?»
    «Er war Sägewerksbesitzer. Baustoffe und so. Ging recht gut. Hat in der Lokalpolitik mitgeredet. Nur meinte er, er könnte auf die schnelle zum großen Geld kommen. Hat auf Pferde gesetzt und sonst noch dies und das. Schließlich mußte er den Strick nehmen. Er hat nur das Grundstück hinterlassen und Wertpapiere, von deren Ertrag die beiden Frauen gerade eben so leben können. Von Victor kriegen sie nichts. Sie nagen zwar nicht am Hungertuch, aber wohlhabend sind sie nicht.»
    «Komisch», sagte Delaney. «Thorsen meinte, sie wäre eine reiche alte Schachtel.»
    «Emily sagte, dafür hielten sie alle. Aber sie ist es nicht. Kommt nur grade so eben längs.»
    «Für eine Haushälterin reicht's immerhin noch», gab Delaney zu bedenken. «Das kann man kaum arm nennen. Das Land muß ja Gold wert sein. Sie kratzt irgendwie die Steuern zusammen und gibt keinen Quadratmeter Land

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