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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ging er zum Rechtsanwaltsbüro hinüber, hielt sich dabei betont gerade und bemühte sich, das Bild eines angenehmen, jungenhaften Polizeibeamten abzugeben, dem man sich gern anvertraut.
    Sie saß allein im Vorzimmer und tippte mit hinreißender Geschwindigkeit auf einer elektrischen Maschine. Sie arbeitete noch einen Augenblick weiter, als er schon eingetreten war und sich vor ihrem Schreibtisch mit der Glasplatte aufgebaut hatte. So blieb ihm Zeit zu einer Bestandsaufnahme: eine große, magere Blondine ohne auch nur die Andeutung von Busen. Kein bißchen! Nun hörte sie zu tippen auf und sah ihn an.

    «Miss Hemley?» fragte er lächelnd. «Susan Hemley?»
    «Ja?» Sie legte verwirrt den Kopf zur Seite.
    «Ich habe neulich abends am Telefon mit Ihnen gesprochen.» Lächeln. «Sergeant Abner Boone.»
    Er faltete seinen Ausweis auseinander und reichte ihn ihr. Sie nahm ihn und las ihn sorgfältig durch, was die Leute nur selten taten.
    «Sind Sie gekommen, mich zu verhaften?» fragte sie ihn neckisch.
    «Ja, natürlich», sagte er lächelnd. «Wegen Ausübung unerlaubter Attraktivität auf Polizeibeamte im Dienst. Doch im Ernst: es handelt sich praktisch nicht um einen offiziellen Besuch, Miss Hemley. Ich wollte Ihnen nur für Ihre Hilfsbereitschaft danken. Und gleichzeitig eine Verabredung mit Mr. Simon treffen. Für den Chief, Mr. Delaney.»
    «Den Chief? Ach du liebe Güte, das klingt ja angsterregend.»
    «Das braucht es nicht. Nur ein paar Routinefragen, damit unsere Unterlagen komplett sind.»
    «Im Fall Maitland?» fragte sie mit belegter Stimme.
    Er nickte, unentwegt lächelnd. «Würde es Mr. Simon irgendwann nächste Woche passen? Vormittags oder nachmittags ist egal.»
    «Einen Augenblick, Sergeant. Da muß ich nachfragen.»
    Sie erhob sich und ging zu einer Tür im Hintergrund, klopfte einmal, trat ein und schloß die Tür hinter sich. Boone war dankbar; sein Gesicht fühlte sich verkrampft an vom vielen Lächeln. Sie war gleich darauf wieder da. Er bemerkte, daß sie sich recht graziös bewegen konnte. Sie hatte hübsche lange Beine, ein glattes, unauffälliges Gesicht. Das blonde Haar fiel in kurzen, dichten Lokken. Ihre schwarze Schildpattbrille wirkte irgendwie sexy. Er meinte, sie könnte im Bett ein wahrer Schrecken sein, schreien und bis zur Bewußtlosigkeit in den Laken strampeln.
    «Wie wär's mit Dienstagmorgen um zehn?» fragte sie.
    «Einverstanden», sagte er und lächelte wieder. «Wir werden hier sein.»
    Er schickte sich an zu gehen, zögerte und wandte sich noch mal um.
    «Wenn Sie mir noch eine Auskunft geben wollten?» fragte er lächelnd. «Wo kann ein hungriger Polizist hier in der Gegend anständig essen?»
    Zwanzig Minuten später saßen sie einander in einem Lokal auf der Madison Avenue gegenüber.
    «Ich fürchte nur, es gibt hier nichts Alkoholisches», entschuldigte sie sich.
    «Das macht nichts», versicherte er ihr. «Bestellen Sie, was Sie mögen. Lassen wir mal die Stadt dafür bezahlen. Sie sind schließlich Steuerzahlerin, oder?»
    «Und ob ich das bin!» sagte sie, und beide lachten.
    Er hütete sich, sie zu bedrängen, und so kamen sie wunderbar miteinander aus. Sie unterhielten sich über das Thema, das ihnen beiden am meisten am Herzen lag: sie. Er hatte nicht übertrieben, als er zu Delaney sagte, er verstehe sich aufs Zuhören. Das tat er wirklich, und ehe der Eistee und das Halbgefrorene serviert wurden, wußte er eine ganze Menge über sie: Sie kam aus Ohio, hatte die Handelsschule absolviert, konnte den Juristenjargon stenographieren, hatte elf Jahre Erfahrung in Anwaltsbüros gesammelt.

    Was bedeutete, wie er rasch überschlug, daß sie zwischen sieben- und achtunddreißig sein mußte. Gutes Gehalt, viel Urlaub und Vergünstigungen, die mit ihrer Stellung verbunden waren; es sei nur eine kleine Praxis, sagte sie, aber man könne dort in Ruhe arbeiten.
    J. Julian Simon sei ein Prachtmensch. Das waren ihre "Worte: «Er ist ein Prachtmensch.» Boone nahm an, es sei eine Freude, für ihn zu arbeiten.
    «Und wie steht es mit Ihnen?» fragte sie zum Schluß. «Sie bearbeiten den Fall Maitland?»
    Er nickte, sah vor sich nieder und schob das Besteck hin und her.
    «Ich weiß, daß Sie darüber nicht reden dürfen», sagte sie.
    Daraufhin sah er sie an. «Ich darf eigentlich nicht. Aber…»
    Vorsichtig blickte er sich um, weil die Kellnerin dabei war, den Nachbartisch abzuräumen.
    «Wir sind ziemlich nahe dran», flüsterte er.
    «Wirklich?» flüsterte sie zurück,

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