Die zweite Todsuende
ist ja auch ein so netter kleiner Mann. Er sagt immer so komische Sachen. Ich mag ihn.»
«Ich auch», stimmte Boone zu. «Eine starke Persönlichkeit. Schade, daß er und Mrs. Maitland nicht miteinander auszukommen scheinen.»
«Ach, das», meinte Susan Hemley. «Das beruht eigentlich auf einem Mißverständnis. Maitland hat ein paar Bilder gemalt und Geltman veranlaßt, sie zu verkaufen, ohne seiner Frau davon zu erzählen. Ich habe Alma gesagt, daß es nicht Sauls Schuld ist. Schließlich mußte er verkaufen, was Maitland ihm brachte, oder? Das ist ja sein Beruf. Und was Maitland mit seinem Geld machte, ging Saul nichts an, oder? Wenn Maitland seiner Frau nicht sagte, wieviel er verdiente, sollte sie das wirklich nicht Mr. Geltman zum Vorwurf machen.»
«Da bin ich ganz Ihrer Meinung», stimmte Boone zu. «Und das haben Sie Alma Maitland auch gesagt?»
«Natürlich habe ich das getan. Aber sie scheint zu denken, daß das nicht alles war.»
«Nicht alles?» fragte Boone nach. «Ich verstehe nicht. Was meinte sie damit?»
«Ach, du meine Güte!» rief Susan Hemley. «Sehen Sie nur, wie spät es schon ist. Ich muß zurück ins Büro. Haben Sie vielen Dank für das Essen, Sergeant. Es hat mir wunderbar geschmeckt. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.»
«Bestimmt.» Wieder lächelte er. «Am Dienstagmorgen um zehn. Mit Mr. Delaney.»
Er kehrte zu Jake Dukkers Atelier am Central Park South zurück. Es war fast 14 Uhr, nicht genau die Tatzeit, aber seiner Meinung nach immerhin annähernd genug, einen Versuch mit der U-Bahn zu rechtfertigen.
Auf der Nordseite der 59th Street fand er einen Parkplatz, verschloß seinen Wagen und schaute auf die Uhr. Dann beschloß er, kein Taxi zu nehmen, sondern zu Fuß zum U-Bahnhof Lexington Avenue zu gehen. Er schlug eine rasche Gangart ein, schlängelte sich durch die Menge, wich gelegentlich in die Gosse aus, um Zeit zu gewinnen. Wie jemand, der auf Mord erpicht ist, schoß er bei Rotlicht über die Straße und kümmerte sich weder um das Gehupe noch um die Verwünschungen zeternder Taxifahrer.
Auf dem Bahnhof an der 59th Street mußte er fast vier Minuten auf einen Expresszug in Richtung Süden warten. An der 14th Street stieg er in einen Lokalzug um, fuhr damit bis zur Spring Street, stieg aus und eilte hinüber zu Maitlands Atelier in der Mott Street. Dann sah er auf die Uhr; 46 Minuten waren vergangen, seit er Dukkers Atelier verlassen hatte.
Gemächlich ging er einmal um den Block, um die zehn Minuten hinter sich zu bringen, die er für die Ermordung Maitlands ansetzte, und fuhr dann dieselbe Strecke zurück. Diesmal mußte er lange auf den Lokalzug warten. Ungeduldig sah er zwei Expresszüge auf dem Nebengleis vorüberdonnern. Als sein Zug endlich kam, beschloß er, damit bis zur 59th Street weiterzufahren. Der Zug wurde fast fünf Minuten zwischen der 14th und der 23th Street aufgehalten, einer jener unerwarteten Aufenthalte, für die den schwitzenden Fahrgästen nie eine Erklärung gegeben wird.
An der Haltestelle 59th Street sprang er vom Zug, drängelte sich, die Ellbogen gebrauchend, durch die Menschenmassen und eilte westwärts quer durch die Stadt zu Dukkers Atelier. Keuchend und mit durchgeschwitztem Popelinanzug stand er unter der Markise vor dem Haus und schaute auf die Uhr: eine Stunde und neunundvierzig Minuten. Er konnte es kaum glauben. Zu Fuß und mit der U-Bahn hatte er es schneller geschafft als mit dem Auto. Das bewies nun mit Sicherheit, daß seine Theorie durchaus etwas für sich hatte: Dukker oder die Sarazen hätten die Fahrt ohne weiteres machen, Maitland töten und zurückkehren können, ohne daß ihre Abwesenheit von den Fotomodellen und Assistenten unten im Atelier bemerkt worden wäre. Was allerdings bedeuten würde, daß die beiden unter einer Decke steckten.
Er zog die Jacke aus, riß mit einem Ruck Schlips und Kragen auf und fuhr zufrieden nach Hause in die 85th Street. Er wohnte in einem verhältnismäßig neuen Apartmenthaus. Die Miete für die Wohnung und den Garagenplatz sorgte dafür, daß er ständig am Rande der Pleite entlangschlitterte, doch konnte er sich nach der Scheidung nicht entschließen auszuziehen. Hätte Phyllis Unterhalt verlangt, wäre ihm allerdings nichts anderes übriggeblieben, als sich eine billigere Wohnung zu nehmen. Glücklicherweise gehörte sie jedoch zu den emanzipierten Frauen, hatte sich mit einer einmaligen Abfindung von fünftausend auf die Hand und dem größten Teil der Möbel zufriedengegeben,
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