Die zweite Todsuende
rückte mit ihrem Stuhl näher, pflanzte die Ellbogen auf den Tisch und neigte sich zu ihm vor. «Das letzte, was ich in der Zeitung gelesen habe, war, daß die Polizei keinerlei Spuren hat.»
«Ach, die Zeitungen!» tat er verächtlich. «Wir binden ihnen schließlich nicht alles auf die Nase. Sie verstehen?»
«Selbstverständlich», sagt sie eifrig. «Es gibt also doch dies und das?»
Wieder nickte er, sah sich vorsichtig um und lehnte sich abermals vor.
«Haben Sie ihn eigentlich gekannt?» fragte er. «Victor Maitland, meine ich? Sind Sie ihm jemals begegnet?»
«Aber ja», sagte sie. «Ein paarmal sogar. Im Büro. Und einmal bei einer Party in Mr. Geltmans Wohnung.»
«Ach», sagte Boone. «Im Büro? Ist Mr. Simon denn auch sein Anwalt? »
«Nicht richtig», sagte sie. «Er kam nur ein- oder zweimal, zusammen mit Mr. Geltman. Ich glaube nicht, daß er überhaupt einen Anwalt hatte. Einmal sagte er zu Mr. Simon: ‹Man müßte zunächst einmal sämtliche Advokaten umbringen.› Ich fand das nicht sonderlich taktvoll.»
«Nein», pflichtete Boone bei, «das war es bestimmt nicht. Aber ich nehme an, Maitland war nun mal kein besonders taktvoller Zeitgenosse. Kein Mensch scheint ihn gemocht zu haben.»
«Ich bestimmt nicht», sagte sie entschieden. «Ich fand ihn rüde und ungehobelt.»
«Ich weiß», sagte er verständnisvoll. «Das behauptet jeder. Ich nehme an, seine Frau hat einiges auszustehen gehabt.»
«Das kann man wohl sagen. Dabei ist sie eine so bezaubernde Person!»
«Das finden Sie auch?» stimmte er begeistert zu. «Ich habe sie kennengelernt, und genau das dachte ich auch: was für eine bezaubernde Frau. Und mit diesem Scheusal verheiratet! Haben Sie gewußt -» Er senkte die Stimme und lehnte sich noch weiter vor. Susan Hemley kam ihm entgegen, bis ihre Köpfe sich fast berührten. «Haben Sie gewußt - nun ja, das hat nicht in der Zeitung gestanden. Sie müssen versprechen, daß Sie mit keinem Menschen darüber reden und es für sich behalten!»
«Das verspreche ich.» Sie nickte eifrig. «Ich sage kein Wort.»
«Ich vertraue Ihnen», sagte er. «Nun, als er aufgefunden wurde, trug er keine Unterwäsche.»
Mit einem Ruck fuhr sie zurück, ihre Augen weiteten sich. «Nein!» hauchte sie. «Wirklich?»
Die Handfläche nach außen hielt er eine Hand in die Höhe.
«Die Wahrheit!» sagte er. «So wahr mir Gott helfe. Wir wissen bis jetzt noch nicht, was dahintersteckt, aber er hat keine Unterwäsche getragen.»
Wieder lehnte sie sich vor. «Ich habe Ihnen ja gesagt, daß er abstoßend war. Das beweist es.»
«O ja», sagte er. «Sie haben recht. Wir wissen, daß er zu Mr. Geltman ausgesprochen häßlich war.»
«Das kann man wohl sagen», erklärte sie. «Sie hätten mal hören sollen, wie Maitland mit Saul umgesprungen ist. In aller Öffentlichkeit. Im Beisein von Kunden. Er war so niederträchtig!»
«Und wenn man bedenkt, daß Geltman zu der Zeit, als Maitland umgebracht wurde, in Ihrem Büro war», sagte Boone kopfschüttelnd. «Das macht einen nachdenklich. Wer weiß, ob wir ihn nicht verdächtigt hätten, wenn er nicht dort gewesen wäre. Aber er war ja wirklich dort, nicht wahr?»
«Sicher war er das», bestätigte sie und nickte so heftig, daß die blonden Locken flogen. «Ich habe ihn hereinkommen sehen. Und noch mit ihm gesprochen, ein oder zwei Minuten, ehe er in Mr. Simons Büro ging.»
«Das war so um zehn Uhr», sagte Boone nachdenklich. «Und dann haben Sie ihn gegen halb zwei Uhr wieder rauskommen sehen. Stimmt's?»
«O nein», sagte sie. «Um halb zwei habe ich mit Alma zu Mittag gegessen. Mit Alma Maitland. Wissen Sie das nicht?»
«Ach ja, natürlich!» Boone schnipste mit den Fingern. «Wie konnte ich das nur vergessen? Nun, jedenfalls haben die anderen im Büro ihn rauskommen sehen, oder?»
«Nein», sagte sie gedehnt. «Nur Mr. Simon. Mr. Brewster war den ganzen Tag über bei Gericht, und unser Bürovorsteher, Lou Broniff, lag mit einer Grippe zu Hause.»
«Nun», sagte er, «Mr. Simon hat uns gesagt, wann er fortgegangen ist, und das genügt.»
«Das sollte es auch. Mr. Simon ist ein Prachtmensch.»
«Mr. Geltman spricht in den höchsten Tönen von ihm», log Boone ganz geläufig.
«Das will ich aber auch meinen.» Sie lachte. «Sie sind seit Jahren befreundet. Ich meine, sie sind mehr als nur Anwalt und Mandant. Sie spielen Handball zusammen. Und schließlich sind beide geschieden.»
«Also enge Vertraute.»
«Das kann man wohl sagen. Mr. Geltman
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