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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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die Rolle zu spielen, die am besten zur jeweiligen Situation paßte.
    «Aber, aber», begütigt ein Straßenpolizist und klopft dem erregten Ehemann auf die Schulter. «Ich weiß genau, was in Ihnen vorgeht. Hab ich das nicht selber auch durchgemacht? Ich weiß, ich weiß. Aber ihr die Nase einschlagen hilft gar nichts. Seien Sie vernünftig und geben Sie den Ziegelstein her! Ich sage Ihnen doch, ich weiß, wie es in Ihnen aussieht. Ich weiß genau, wie Ihnen zumute ist.»
    «Ich weiß ja, daß Sie nichts damit zu tun haben», sagt der Kriminalbeamte betreten. «Hören Sie, mir ist es persönlich schrecklich, Sie zu belästigen. Eine Frau, die so intelligent ist und so gut aussieht wie Sie! Für einen wie den sind Sie viel zu gut! Das sieht doch jeder. Aber ich muß Ihnen diese Fragen leider stellen, verstehen Sie? Ich möchte es nicht, aber es ist nun mal mein Job. Na also … war er wirklich bei Ihnen, als dieser Laden ausgeräumt wurde?»
    Nicht immer verständnisvoll, versteht sich. Braucht man einen Vorschlaghammer, bitte, auch der wird geliefert…
    «Du bist dran, du Spatzenhirn! Dich haben wir verpackt, frankiert und verfrachtet! Da führt kein Weg mehr dran vorbei. Drei bis fünf Jahre Knast sind dir sicher! Und in einer Woche machen die dich fix und fertig. Eingelocht mit lauter schwulen Böcken! Die orgeln dich in der ersten Nacht durch, Gruppensex! So ist das nun mal, Freundchen! Und deine Alte will auch nicht die ganze Zeit Daumen lutschen. Kapiert? Du kannst mit dem Leben abschließen, Freundchen! Aber sag mir, wer sonst noch dabei war, und vielleicht kann ich ein gutes Wort für dich einlegen. Es gibt immer Mittel und Wege …»
    Folglich kleidete Abner Boone sich an diesem Freitagmorgen mit besonderer Sorgfalt. Keine auffällige Hose und großkarierte Jacke, sondern konservativer Anzug aus hellbraunem Popelin, weißes Hemd und schwarze Strickkrawatte. Ein Aufzug, der die Sekretärin eines Rechtsanwalts nicht verprellte. Außerdem rasierte er sich sorgfältig und benutzte sein bestes Eau de Cologne - Zizanie. Und puderte die Achselhöhlen. Mit seinem kurzen fahlblonden Haar war nicht viel Staat zu machen, immerhin war es frisch gewaschen.
    Seine Jacke legte er säuberlich hinten auf dem Rücksitz zusammen, fuhr dann Richtung Central Park South und parkte in der zweiten Reihe vor Jake Dukkers Atelier. Der Portier trat heran, und Boone mußte seine Dienstmarke vorweisen. Geduldig wartete er, bis es auf seiner Uhr genau zehn war, und rauchte dabei an diesem Vormittag seine dritte Zigarette. Dann rollte er los.
    Er fuhr in östlicher Richtung bis zur Park Avenue und wandte sich dann nach Süden. Er hatte vor, bis dort zu fahren, wo sie früher Fourth Avenue geheißen hatte, ehe sie in Park Avenue umgetauft worden war. Von da aus wollte er über die 14th Street zum Broadway, hinunter bis zur Spring Street und weiter bis zur Mott Street, in der Victor Maitland sein Atelier gehabt hatte. Er hätte ein Dutzend andere Routen nehmen können, aber eine war so gut oder so schlecht wie die andere.
    Er beachtete sämtliche Verkehrsvorschriften, überfuhr kein einziges Rotlicht, und wenn er in Staus geriet, versuchte er nicht, mit Gewalt vorwärtszukommen. Es dauerte genau 43 Minuten, bis er das Atelier in der Mott Street erreichte. Er notierte das gewissenhaft, parkte zehn Minuten vor dem Haus, rauchte in aller Gemütsruhe noch eine Zigarette und machte sich dann auf den Rückweg. Punkt 11 Uhr 53 erreichte er wieder Dukkers Atelier und Wohnung am Central Park South. Der Verkehr in Richtung Norden war besonders zähflüssig gewesen, und in Höhe der 42th Street war er auch noch für drei Minuten in einen Stau geraten. Trotzdem hatte er es hin und zurück in einer Stunde und dreiundfünfzig Minuten geschafft, worin die zehn Minuten für den Mord an Victor Maitland enthalten waren. Jake Dukker oder Belle Sarazen oder beide zusammen hätten an dem bewußten Freitag das gleiche tun können. Zumindest hatte er bewiesen, daß es in weniger als zwei Stunden zu schaffen war. Ob Delaney sich wohl darüber freuen oder ob er enttäuscht sein würde? Wahrscheinlich weder das eine noch das andere. Es war eine weitere Tatsache, die zu den Akten genommen werden konnte.
    Hinterher fuhr Boone erst in östlicher und dann in nördlicher Richtung und fand in der East 68th Street einen Parkplatz, einen Block vom Büro von Simon and Brewster entfernt. Er zog die Jacke an, verschloß den Wagen und lutschte eine Chlorophylltablette. Zu Fuß

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