Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
dennoch …« Ich ließ den Rest unausgesprochen. Nicht einmal dem Narren gegenüber konnte ich meine Neugier gestehen, was Pflichtgetreu anging. Ein Sohn, mein und doch nicht mein. Und wie mein Vater an mir gehandelt hatte, so hatte ich an ihm getan. Ihn nicht kennen, ihn unwissend lassen, um ihn zu schützen.
Der Narr legte seine Hand auf die meine und drückte sie fest. »Ich habe zu niemandem darüber gesprochen. Und werde es auch künftig nicht tun.« Seine Brust weitete sich unter einem tiefen Atemzug. »Gut. Dann hat der Zufall dich hierher verschlagen, und du gedachtest, hier in edler Einfalt und stiller Größe deine Tage zu vollenden? Dies ist wahrhaftig das Ende deiner Irrfahrten?«
Das Ende meiner Irrfahrten. Seit wir uns damals, vor langer Zeit getrennt hatten, war ich hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, wegzulaufen oder mich zu verstecken. Diese Hütte war mein Zufluchtsort aus reiner Selbstsucht. In diesem Sinne antwortete ich dem Narren.
»Ich möchte bezweifeln, dass Harm es so sehen würde«, erwiderte er sanft. »Und die meisten Menschen würden meinen, einmal im Leben die Welt zu retten, müsste genügen, um sich einen friedlichen Ruhestand verdient zu haben. Da ich aber sehe, dass du es gar nicht abwarten kannst, dich wieder in den Kampf zu stürzen, werde ich sehen, was ich tun kann, um dir eine zweite Runde zu ermöglichen.« Er hob einladend die Augenbrauen.
Ich lachte, aber nicht leichten Herzens. »Mich gelüstet es nicht danach, ein Held zu sein. Ich wäre zufrieden, wenn ich glauben könnte, dass mein Tun Tag für Tag noch für jemanden außer mir von Wichtigkeit ist.«
Er lehnte sich zurück und musterte mich ernsthaft. Dann hob er eine Schulter und ließ sie fallen. »Das lässt sich ohne weiteres bewerkstelligen. Sobald Harm seine Lehrstelle angetreten hat, komm zu mir nach Bocksburg. Ich garantiere dir, du wirst wichtig sein.«
»Oder tot, falls man mich erkennt. Hast du nicht gehört, wie groß neuerdings der Hass auf Zwiehafte ist?«
»Nein. Ich hatte keine Ahnung. Aber es überrascht mich nicht, ganz und gar nicht. Aber dich erkennen? Du hast schon einmal von dieser Gefahr gesprochen, aber vor einem anderen Hintergrund. Jetzt sehe ich mich gezwungen, Merle Recht zu geben. Nur wenige würden bei deinem Anblick nachdenklich werden. Du hast in der Tat nur noch sehr wenig Ähnlichkeit mit dem FitzChivalric von ehedem. Die Züge des Hauses Weitseher sind in deinem Gesicht zu finden, wenn man danach sucht, aber Inzucht ist am Hof gang und gäbe. Manch ein edler Herr oder eine edle Dame trägt einen Schuss des gleichen Blutes in den Adern. Und mit was sollte ein zufälliger Betrachter dich vergleichen, einem verblassten Portrait in einer düsteren Ahnengalerie? Du weilst als einziger erwachsener Mann deiner Familie noch unter den Lebenden. Listenreich ist vor vielen Jahren gestorben, nach langem Siechtum, dein Vater hatte sich schon einige Zeit vor seinem Tod nach Weidenhag zurückgezogen, und Veritas war alt über seine Jahre hinaus. Ich weiß, wer du bist, und deshalb sehe ich die Ähnlichkeit, doch glaube ich nicht, dass ein flüchtiger Blick eines Höflings deine Tarnung gefährden könnte.« Er schwieg einen Moment, dann fragte er in einem Ton, als wäre es sein voller Ernst: »Abgemacht? Ich sehe dich in Bocksburg, bevor der erste Schnee fällt?«
»Vielleicht«, antwortete ich ausweichend. Ich war weniger überzeugt als er, dass es dazu kommen würde, aber gewitzt genug, mich nicht auf eine Diskussion mit ihm einzulassen.
»Ganz gewiss«, berichtigte er und schlug mir dann auf die Schulter. »Gehen wir zurück. Das Essen wird gar sein. Und ich will mit meiner Schnitzarbeit fortfahren.«
Kapitel 10 · Ein Schwert und eine Botschaft
Wahrscheinlich hat jedes Königreich seine Sage von einem geheimnisvollen und mächtigen Beschützer, einem schlummernden Helden, der da kommen wird in Zeiten großer Not, um das Land zu erretten. Auf den Äußeren Inseln ist es Eisloh, ein Wesen, welches tief im Innern des Gletscherpanzers lebt, der die Insel Aslevjal bedeckt. Die Menschen dort glauben, wenn Erdbeben das Eiland erschüttern, es wäre Eisloh, der sich tief in seinem ewigen Heim in unruhigen Träumen wälzt. In den Märchen und Sagen der Sechs Provinzen war von den Uralten die Rede, einer mächtigen, seit langem im Dunkel der Geschichte versunkenen Rasse, die irgendwo hinter dem Reich in den Bergen wohnte und ehemals mit uns verbündet war. Nur ein Herrscher, der sich wie
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