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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Hardins Höft erlebt hatte, und von dem Gerede über die Zwiehaften auf dem Markt. Anschließend erzählte ich ihm, was ich von Merle über die Vaganten beim Frühlingsfest gehört hatte, und was Chade von Prinz Pflichtgetreu argwöhnte, und dass er von mir erwartete, den Jungen in der Gabe zu unterweisen. All die Informationen nahm der Narr in sich auf wie ein Weber verschiedene Fäden nimmt, um daraus einen Teppich zu knüpfen.
    An einem Abend nahmen wir uns die Krone und die Hahnenfedern vor, aber die Kiele waren zu dünn für die Löcher und die Federn kippten kreuz und quer durcheinander. Ohne es auszusprechen wussten wir, dass zu dieser Krone die Federn eines anderen Vogels gehörten. Ein andermal stellte der Narr die Krone auf den Tisch und nahm sich Pinsel und Farben aus meinen Beständen. Ich rückte mir einen Stuhl zurecht, um ihm zuzuschauen. Er stellte die Utensilien vor sich hin, tauchte einen Pinsel in blaue Tinte und zögerte. Das Schweigen dauerte so lange, dass das Knistern des Feuers meine ganze Wahrnehmung ausfüllte. Schließlich legte er den Pinsel hin. »Nein«, sagte er, »das Gefühl stimmt nicht. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.« Er wickelte die Krone wieder ein und verstaute sie in seinem Bündel. Dann eines Abends, als ich mir gerade nach dem letzten Vers einer derben Ballade die Lachtränen aus den Augen wischte, stellte er die Harfe hin und verkündete: »Morgen breche ich auf.«
    Ich fiel aus allen Wolken. »Warum?«
    »Je nun«, antwortete er von oben herab, »so geht’s im Leben eines Weißen Propheten. Ich habe die Zukunft zu verkünden, die Welt vor dem Untergang zu bewahren – all dieser Kleinkram, um den unsereiner sich so kümmern muss. Davon abgesehen, du hast keine Möbel mehr, an denen ich noch mein Messer wetzen könnte.«
    »Sei ernst! Kannst du nicht noch ein paar Tage bleiben? Wenigstens bis Harm wiederkommt. Du musst den Jungen kennen lernen.«
    Er seufzte. »Um ehrlich zu sein, ich bin schon viel länger geblieben, als ich sollte. Erst recht angesichts der Tatsache, dass du behauptest, du könntest nicht mitkommen nach Bocksburg. Außer?« Er richtete sich hoffnungsvoll auf. »Außer du hast deine Meinung geändert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich nicht. Ich kann nicht einfach weggehen und hier alles im Stich lassen. Ich muss da sein, wenn Harm nach Hause kommt.«
    »O, selbstverständlich.« Er sank zurück. »Seine Ausbildung. Und du hast Hühner, die ohne dich verloren wären.«
    Die Ironie in seiner Stimme traf. »In deinen Augen mag das alles hier belanglos sein, aber es ist mein Leben«, hielt ich ihm entgegen.
    Er grinste, weil es ihm gelungen war, mich in Harnisch zu bringen. »Ich bin nicht Merle, mein Lieber. Ich mokiere mich nicht darüber, wie andere ihr Leben gestalten. Bedenke meines und sage mir, von welchem hohen Ross ich herunterschauen sollte. Nein. Ich mache mich an die Erfüllung meiner eigenen Pflichten, mögen sie auch öde und langweilig erscheinen für jemanden, der eine ganze Hühnerschar zu beaufsichtigen hat und Stangenbohnen zu ernten. Was ich tun muss ist ebenso wichtig. Mit Chade einen Batzen erntefrischer Gerüchte durchhecheln und bei Hofe reihenweise neue Bekanntschaften pflegen.«
    Ich spürte einen Anflug von Neid. »Bestimmt werden sie alle beglückt sein, dich wieder in ihrer Mitte begrüßen zu können.«
    Er zuckte die Achseln. »Einige schon, nehme ich an. Andere waren ebenso beglückt, mich von hinten zu sehen. Und vielen dürfte ich aus dem Gedächtnis entschwunden sein. Den meisten, nahezu allen, wenn ich es klug anfange.« Abrupt stand er auf. »Ich wünschte, ich könnte einfach hier bleiben«, gestand er seufzend. »Ich wünschte, ich könnte glauben, wie du es anscheinend tust, dass ich allein über mein Leben bestimme. Unglücklicherweise weiß ich, dass es für uns beide eine Illusion ist.« Er ging zur offenen Tür und schaute in den lauen Sommerabend hinaus. Einmal holte er Luft, als wollte er etwas sagen, dann atmete er seufzend aus. Er blieb noch eine Weile stehen, dann straffte er entschlossen die Schultern und drehte sich wieder zu mir herum. Um seine Lippen spielte ein grimmiges Lächeln. »Nein, es ist am besten, wenn ich morgen aufbreche. Du wirst mir schon bald folgen, auch ohne mein Zutun.«
    »Verlass dich nicht darauf.«
    »O, aber das muss ich. Die Zeiten verlangen es. Von uns beiden.«
    »Ach, soll diesmal jemand anderer die Welt retten. Bestimmt gibt es irgendwo noch einen zweiten

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