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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Weißen Propheten.« Ich meinte es scherzhaft, aber die Augen des Narren wurden groß, und ich hörte, wie er stockend Atem holte.
    »Sprich nicht von dieser Zukunft. Es ist ein schlechtes Omen für mich, dass ein solcher Gedanke auch nur als Saatkorn in deinem Bewusstsein vorhanden ist. Denn wirklich gibt es eine andere, die gern den Mantel des Weißen Propheten tragen würde und den Lauf der Welt in die Richtung wenden, die sie in ihren Visionen sieht. Von Anfang an habe ich mich gegen ihren Sog gestemmt. Doch in dieser Phase des Weltenlaufs nimmt ihre Macht zu. Nun weißt du, weshalb ich mich scheute, offener zu sprechen. Ich werde deiner Kraft bedürfen, mein Freund. Wir beide vereint könnten stark genug sein, ihr Widerstand zu bieten. Denn manchmal braucht es nur einen kleinen Stein auf dem Weg, damit ein Rad aus dem Gleis springt.«
    »Hm. Hört sich nicht an, als wäre es eine angenehme Erfahrung für den Stein.«
    Er wandte mir seine Augen zu. Wo sie einst durchsichtig, beinahe farblos gewesen waren, leuchteten sie nun golden und reflektierten den Lampenschein. Seine Stimme klang herzlich, aber auch müde. »Keine Bange, du wirst es überleben. Denn du musst überleben. Und deshalb richte ich all meine Kräfte auf dieses Ziel. Dich heil durch alle Fährnisse zu bringen.«
    »Und du sagst zu mir, ich soll keine Angst haben?« Ich spielte den Verzweifelten.
    Er nickte und auch seine Miene war bedrückt. Ich versuchte das Thema zu wechseln. »Wer ist diese Frau, von der du sprichst? Kenne ich sie?«
    Er kam zurück und setzte sich wieder an den Tisch. »Nein, du kennst sie nicht. Aber ich kannte sie, früher. Oder vielmehr, ich wusste von ihr, denn sie war eine erwachsene Frau und verließ uns, als ich noch ein Kind war …« Sein Blick kehrte aus einer unbestimmten Ferne zu mir zurück. »Es ist jetzt lange her, da habe ich dir einige Dinge über mich erzählt, erinnerst du dich?« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Ich wurde weit, weit im Süden geboren, als Kind ganz normaler Leute. Sofern es ganz normale Leute überhaupt gibt … Ich hatte eine liebevolle Mutter und meine Väter waren zwei Brüder, wie es dorten Sitte ist. Doch von dem Augenblick an, als ich den Leib meiner Mutter verließ, war offenbar, dass das alte Erbe sich in mir manifestierte. In einer fernen Vergangenheit hatte ein Weißer sein Blut in meine Ahnenreihe gemischt, und ich wurde geboren, um die Arbeit jenes mythischen Volkes fortzuführen.
    So sehr meine Eltern mich liebten und umsorgten, sie wussten, dass es nicht mein Schicksal war, bei ihnen zu bleiben oder eines ihrer Gewerbe zu lernen. Stattdessen wurde ich fortgeschickt, an einen fernen Ort, um dort ausgebildet und auf meine Pflichten vorbereitet zu werden. Man behandelte mich gut, mehr als gut. Auch dort liebte man mich, auf eigene Art. Jeden Morgen wurde ich befragt, was ich geträumt hatte, und jede Kleinigkeit, an die ich mich erinnern konnte, wurde aufgeschrieben und weise Männer zerbrachen sich darüber den Kopf. Als ich älter wurde und immer häufiger Wachträume mich heimsuchten, lehrte man mich die Kunst der Feder, um meine Visionen selbst festzuhalten, denn keine Hand schreibt so ehrlich wie die, die zu dem Auge gehört, welches gesehen hat.« Er lachte verlegen und schüttelte über sich selbst missbilligend den Kopf. »Was für eine Art, ein Kind zu erziehen! Meine geringsten Äußerungen galten als Weisheit. Doch trotz meiner Abstammung war ich nicht anders als andere Kinder. Wenn ich Lust hatte, fabulierte ich von fliegenden Ebern und majestätischen Schemengestalten. Eine hanebüchene Spinnerei war absurder als die davor, aber ich entdeckte etwas Merkwürdiges. Ganz gleich, welche verschlungenen, unsinnigen Pfade ich meine Zunge laufen ließ, in meinem Schnurren war stets ein wahrer Kern enthalten.«
    Er schielte in meine Richtung, als erwartete er einen Einwand. Ich schwieg.
    Er senkte den Blick und betrachtete die Tischplatte. »Natürlich war es allein meine eigene Schuld, dass als schließlich die größte Wahrheit von allen in meinem Herzen Gestalt annahm und sich nicht verleugnen ließ, niemand mir Glauben schenken wollte. An dem Tag als ich verkündete, ich sei der Weiße Prophet, den dieses Zeitalter erwartete, geboten meine Lehrer mir zu schweigen. »Zügle deinen maßlosen Ehrgeiz«, ermahnten sie mich. Als ob irgendjemand aus freiem Willen eine solche Bürde auf sich nehmen würde! Eine andere, sagten sie mir, trüge bereits den Mantel. Sie war vor

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