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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stimme der Vernunft, die mir sagte, mein Vorhaben sei töricht, zum Scheitern verurteilt. Die Entfernung war zu groß. Ich konnte keinesfalls rechtzeitig zu ihnen gelangen. Wenn ich sie endlich aufgespürt hätte, waren sie entweder tot oder genesen. Doch nachdem der Stein einmal ins Rollen gekommen war, gab es kein Zurück mehr. Jahrelang hatte ich jeden Menschen gemieden, von dem zu befürchten stand, er könne mich wiedererkennen, und jetzt war ich plötzlich bereit, wie dem Grabe entstiegen bei Molly und Burrich aufzutauchen? Ich weigerte mich, darüber nachzudenken. Ich setzte einfach Fuß vor Fuß.«
    Der Narr nickte verständnisvoll. Ich fürchtete, dass er weit mehr erriet, als ich bewusst preisgab.
    Jahrelang hatte ich der Verlockung der Gabe widerstanden, nun öffnete ich mich ihr. Die Sucht ergriff von mir Besitz, und ich ließ es zu. Es war erschreckend, mit welcher Gewalt sie mich überfiel, doch ich wehrte mich nicht. Trotz der lähmenden Kopfschmerzen, die unweigerlich mit dem Gebrauch der Gabe einhergingen, griff ich fast jeden Abend hinaus nach Molly und Burrich. Mit wenig ermutigendem Erfolg. Keine andere Lust lässt sich mit dem rauschhaften Glücksgefühl vergleichen, wenn zwei in der Gabe geschulte Bewusstseine sich treffen. Doch mit der Gabe zu sehen, ist etwas völlig anderes. Darin war ich nie unterwiesen worden, ich konnte nur auf das zurückgreifen, was ich aus eigenen Fehlern gelernt hatte. Mein Vater hatte Burrich für die Gabe unempfänglich gemacht, damit wer ihm feindlich gesonnen war, nicht den Freund und Vertrauten als Medium missbrauchen konnte, um ihn zu belauschen oder Schlimmeres. Und Molly besaß meines Wissens nicht die Veranlagung für die Gabe. Wenn ich sie mit der Gabe beobachtete, konnte es keine echte Verbindung geben, nur ein ohnmächtiges Schauen, ohne die Möglichkeit, sie auf mich aufmerksam zu machen. Bald musste ich feststellen, dass ich nicht einmal das zuverlässig zu bewirken vermochte. Meine Fähigkeiten waren durch den langen Nichtgebrauch eingerostet. Bereits nach einer geringen Anstrengung war ich erschöpft und vor Schmerzen zu nichts mehr fähig, trotzdem konnte ich nicht anders, als es immer wieder versuchen. Ich kämpfte um diese kurzen Einblicke und durchforstete sie akribisch nach Anhaltspunkten. Eine verschwommen sichtbare Bergkette hinter dem Anwesen, der Salzgeruch des Meeres, schwarzgesichtige Schafe auf der Weide am Hang – ich prägte mir jedes Detail der Umgebung ein und hoffte, dass es genügte, um mich zu ihnen zu führen. Ich konnte mir nicht aussuchen, was ich sehen wollte. Oft fügte es sich so, dass ich die Arbeiten im und um das Haus beobachtete: die alltägliche Mühsal des Wäschewaschens, das Sammeln von Kräutern und, ja, die Pflege der Bienenvölker. Blicke auf einen Säugling, den Molly Chiv nannte und dessen Gesicht Burrichs Züge ahnen ließ, erfüllten mich mit sowohl Eifersucht als auch Staunen.
    Zu guter Letzt machten wir das Dorf Capelin ausfindig. Wir fanden die verlassene Hütte, in der meine Tochter zur Welt gekommen war. Nach ihnen hatten andere Leute dort gewohnt und für mich waren keine Spuren mehr von den Gesuchten erkennbar, aber Nachtauge hatte schärfere Sinne. Dennoch, Molly und Burrich waren vor langer Zeit fortgezogen, und ich wusste nicht, wohin. Einfach im Ort zu fragen, wagte ich nicht, falls jemand sich verpflichtet fühlte, Burrich oder Molly die Nachricht zukommen zu lassen, dass da jemand nach ihnen forschte. Monatelang zogen wir umher. In jedem Dorf, durch das wir kamen, sah ich frische Gräber. Was immer es für eine Krankheit gewesen war, sie hatte sich schnell und weit ausgebreitet und viele Opfer gefordert. In keiner von meinen Visionen hatte ich Nessel gesehen – war auch sie dahingerafft worden?
    Von Capelin ausgehend suchte ich in immer größeren Kreisen, ging in die Schänken und Herbergen der umliegenden Weiler. Dort spielte ich den etwas einfältigen Fremden auf Reisen, einen Bienenzüchter aus Passion und felsenfest überzeugt, alles zu wissen, was es über dieses Gewerbe zu wissen gab. Ich führte große Reden, gab mich stur und rechthaberisch, damit andere mich berichtigen sollten und zum Beweis ihrer Behauptungen Imker nennen, die sie kannten. Doch all meine Bemühungen Molly zu finden blieben fruchtlos, bis ich eines späten Nachmittags auf einem schmalen Pfad zum Kamm eines Hügels hinaufstieg und ein Eichenwäldchen mir bekannt vorkam.
    Augenblicklich verließ mich aller Mut und ich bog

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