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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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leuchten bis ich außer Sichtweite war.
    Der Weg zu meiner Kammer wollte kein Ende nehmen, doch endlich näherte ich mich der Geheimtür. Ein paar Schritte vorher löschte ich die Kerze und spähte vorsichtig durch das Guckloch bevor ich den Öffner betätigte. Ich stolperte in die stickige Finsternis und drückte die Tür hinter mir zu. Mit ein paar Schritten war ich bei meiner Pritsche und sank darauf nieder. Mir war heiß, meine Kleider schnürten mich ein wie feuchte Grabtücher, aber ich war zu müde, um daran etwas zu ändern. In der absoluten Schwärze konnte ich nicht sagen, ob meine Augen offen waren oder geschlossen. Wenigstens die flackernden Lichter auf der Innenseite meiner Lider waren erloschen. Ich starrte in die Finsternis und sehnte mich nach dem kühlen Frieden des Waldes.
    Die dicken Mauern verschluckten alle Geräusche und sperrten die Nacht aus. Es war ein Gefühl, als wäre man in einer Gruft. Ich schloss meine Augen gegen die Dunkelheit und lauschte auf den Gleichtakt des Pochens in den Schläfen mit meinem Herzschlag. Mein Magen gurgelte unglücklich. Ich atmete tief ein »Wald« sagte ich leise zu mir selbst. »Nacht, Bäume, Wiese.« Ich suchte Trost bei den einfachen Dingen der Natur, schuf mir in Gedanken eine Szenerie. Ein leichter Wind, der durch die Baumwipfel streicht. Sterne flimmern zwischen fliegenden Wolkenfetzen. Kühle und der reiche Geruch der Erde. Die Spannung löste sich, nahm die Schmerzen mit. Ich überließ mich der Fantasieidylle. Die festgetretene Erde eines Wildwechsels unter meinen Füßen, und ich lief geräuschlos durch die Dunkelheit, folgte meiner Gefährtin.
    Sie bewegte sich lautloser als die Nacht, mit raschen, sicheren Schritten. So sehr ich mich anstrengte, ich konnte sie nicht einholen. Ich kam ihr nicht einmal nahe genug, um sie zu sehen. Ihr Duft wies mir die Richtung, das Rascheln des Buschwerks den Weg. Meine Katze folgte ihr dichtauf, doch ich war nicht schnell genug. »Wartet!«, rief ich hinter ihnen her.
    Warten? Warten, dass du mir die Jagd verdirbst? Nein. Ich warte nicht Spute dich und sei leise. Hast du nichts von mir gelernt? Flinkfuß bin ich und Nachtfreund und Schattenjäger. Sei du mir gleich und komm, komm, komm, freue dich dieser Nacht mit mir.
    Ich lief, ich eilte, trunken von der Nacht und ihrer Nähe, unwiderstehlich angezogen wie die Motte vom Licht. Ihre Augen waren grün. Ich wusste es, denn sie hatte es mir gesagt, und ihre langen Locken waren schwarz. Ich sehnte mich danach, sie zu berühren, aber sie wich mir aus, neckend und lockend, immer weit vor mir, bot sich nie meinem Blick, geschweige denn meiner Hand. Ich konnte nur hinter ihr her durch die Nacht laufen, keuchend, während sie vor mir floh. Ich klagte nicht. Ich würde mich ihrer würdig erweisen und sie gewinnen.
    Doch mein Herz schlug wie eine Trommel und meine Lungen brannten. Auf dem Kamm eines Hügels blieb ich stehen, um Atem zu schöpfen. Zu meinen Füßen breitete sich das Panorama des Flusstales aus, darüber hing rund und gelb der Mond. Waren wir so weit gekommen? In der Dauer einer Nacht? Tief unter mir ballten sich die Mauern von Burg Tosen zu einer gezackten schwarzen Masse am Flussufer. Vereinzelte Fenster im Palas waren erleuchtet. Ich fragte mich, wer so spät noch Kerzen brannte, während der Rest des Haushalts schlummerte.
    Willst du in einer stickigen Kammer schlafen, erdrückt von Deckenbergen? So möchtest du eine Nacht wie diese vergeuden? Schlaf ist für die Zeit, wenn die Sonne dir die Glieder wärmt; Schlaf ist für die Zeit, wenn das Wild sich in Höhle und Bau verbirgt. Jetzt ist die Stunde des Jägers! Jage mit mir, mein ungeschickter Liebster. Erweise dich würdig. Lerne eins mit mir zu sein, zu denken wie ich, zu jagen wie ich, oder du wirst mich verlieren.
    Ich wollte weiterlaufen, aber meine Gedanken verhakten sich an etwas, hielten mich fest. Da war etwas, das musste ich tun. Gleich. Sofort. Ich musste irgendjemandem irgendetwas sagen, auf der Stelle. Ratlos blieb ich stehen. Eine Hälfte von mir wollte fort, wollte ihr folgen, bevor sie mich für immer hinter sich ließ. Die andere Hälfte aber stand still. Ich musste es ihm sagen. Sofort. Ich löste mich, trennte mich von jener anderen Hälfte, während ich gleichzeitig das Stück Wissen festhielt, das schon flackerte, zu zerfließen drohte wie das sinnleere Gespinst eines verblassenden Traums. Ich packte den Zipfel des Gedankens, ließ alles andere los. Halt ihn fest. Sag es laut. Das

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